Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
und ich, eine Audienz bei ihm haben.«
    »Beim König?!«, rief Philip, ein wenig beunruhigt über diese Perspektive.
    »Er wird uns fragen, was wir uns zur Belohnung wünschen.«
    Philip verstand jetzt, worauf Waleran hinauswollte, und war sofort aufs Höchste erregt. »Und wir werden sagen, dass …«
    Waleran drehte sich um und sah Philip an. Seine Augen waren wie schwarze Juwelen und funkelten vor Ehrgeiz. »Wir werden ihm sagen, dass wir uns eine neue Kathedrale für Kingsbridge wünschen.«
    Tom wusste, dass Ellen an die Decke gehen würde.
    Sie regte sich schon genug auf über das, was mit Jack geschehen war – allein deswegen hätte er sie beruhigen müssen. Die Kunde von der ihr auferlegten ›Buße‹ musste sie nun zusätzlich erzürnen. Am liebsten hätte Tom die Hiobsbotschaft noch ein oder zwei Tage für sich behalten. Aber das war unmöglich: Prior Philip hatte angeordnet, Ellen müsse bis zum Abend das Klostergelände verlassen haben. Er musste es ihr also sofort sagen, und da Philip ihm zur Mittagsstunde Bescheid gegeben hatte, sagte er es ihr beim Mittagessen.
    Wie üblich betraten sie das Refektorium gemeinsam mit den anderen Klosterbediensteten, nachdem die Mönche gespeist und den Saal verlassen hatten. Die Tische waren dicht besetzt. Das ist vielleicht ganz gut so, dachte Tom, in Gegenwart so vieler Leute hält sie sich vielleicht ein bisschen zurück …
    Er sollte schon bald erfahren, dass er sich in diesem Punkt gewaltig verrechnet hatte.
    Er wollte es ihr schonend beibringen, in kleineren Portionen gewissermaßen, und so sagte er zunächst nur: »Sie wissen jetzt, dass wir nicht verheiratet sind.«
    »Wer hat ihnen das gesagt?«, fragte sie wütend. »Ein Hetzer?«
    »Alfred. Aber du darfst ihm keinen Vorwurf machen – Remigius, dieser geriebene Bruder, hat es ihm aus der Nase gezogen. Wir haben den Kindern ja auch nie ausdrücklich verboten, darüber zu reden.«
    »Ich mache dem Jungen keinen Vorwurf«, erwiderte sie etwas ruhiger. »Was sagen die Leute noch?«
    Er beugte sich über den Tisch und flüsterte ihr zu: »Sie bezichtigen dich der Unzucht.«
    »Der Unzucht?«, wiederholte sie mit lauter Stimme. »Und was ist mit dir? Zur Unzucht gehören zwei! Wissen das diese Mönche etwa nicht?«
    Die Arbeiter, die in der Nähe saßen, fingen an zu lachen.
    »Pssst!«, zischte Tom. »Sie sagen, wir sollen heiraten.«
    Ihr Blick wurde hart. »Wenn das alles wäre, würdest du mich nicht so trübsinnig anschauen. Was sagen sie noch? Raus mit der Sprache!«
    »Sie wollen, dass du deine Sünde bekennst.«
    »Verdammte Heuchler«, entgegnete Ellen angewidert. »Des Nachts bebocken sie einander, und am Tag reißen sie’s Maul auf und zeihen uns der Sünde!«
    Das Gelächter wurde lauter. Die Arbeiter stellten ihre Gespräche ein und lauschten.
    »Sprich etwas leiser, Ellen, bitte!«, flehte Tom sie an.
    »Wahrscheinlich verlangen sie von mir auch, dass ich Buße tue, wie? Die Demütigung gehört immer dazu. Na, was soll ich denn tun? Nun sag’s schon. Einer Hexe kannst du ohnehin nichts vormachen …«
    »Nicht auch noch das !«, zischte Tom sie an. »Du machst ja alles noch viel schlimmer!«
    »Dann red jetzt endlich!«
    »Wir müssen ein Jahr getrennt leben, und du musst die ganze Zeit über keusch bleiben …«
    »Darauf pisse ich!«, brüllte Ellen.
    Nun blickte auch der Letzte auf.
    »Ich pisse auf dich, Tom Builder!«, schrie sie. Dann wurde ihr bewusst, dass sie Publikum hatte. »Ich pisse auf euch alle«, fügte sie hinzu. Die meisten Anwesenden grinsten. Einer so hübschen Person mit vor Eifer geröteten Wangen und großen goldenen Augen konnte man kaum böse sein. Ellen stand auf. »Ich pisse auf die Priorei Kingsbridge!« Schon war sie auf den Tisch gesprungen und schritt zum Jubel der Arbeiter auf der Platte entlang. Hurtig brachte man Suppenschüsseln und Bierkrüge in Sicherheit und lehnte sich zurück. »Ich pisse auf den Prior!«, sagte Ellen. »Und auf den Subprior, den Sakristan, den Kantor und den Kämmerer samt all ihrer Urkunden, Privilegien und Kisten voller Silbergeld!« Sie hatte das Ende des Tisches erreicht. Gleich daneben stand ein zweiter, kleinerer Tisch, an dem, wenn die Mönche speisten, ein Vorleser zu sitzen pflegte. Auf diesem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch.
    Tom erkannte plötzlich, was sie vorhatte. »Ellen!«, rief er. »Das nicht, bitte!«
    Doch Ellen war nicht mehr zu halten. Sie sprang auf das kleine Tischchen, raffte ihren Rock, ging in die Hocke

Weitere Kostenlose Bücher