Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
die einem freilich außerhalb der Klostermauern nicht zum Vorteil gereicht, dachte er verbittert. In einer von Machtstreben und Habgier beherrschten Welt musste man argwöhnisch, anspruchsvoll und beharrlich sein, wenn man bestehen wollte.
»Diese verlogenen Bischöfe haben Euch zum Narren gehalten, he?«, sagte William.
Philip zügelte sein Pferd. Vor Wut zitternd deutete er mit dem Finger auf William und brüllte: »Halt deinen Mund, Bursche! Du sprichst von den heiligen Priestern Gottes. Noch ein Wort, und du wirst brennen, das verspreche ich dir!«
William erbleichte vor Angst.
Philip gab seinem Pferd die Sporen. Williams Häme erinnerte ihn an die eigentlichen Motive der Hamleighs: Sie hatten ihn hierher gebracht, um einen Keil zwischen ihn und Waleran zu treiben. Ihr Ziel war es, sie so zu entzweien, dass die umstrittene Grafschaft Percy Hamleigh zufiel wie eine reife Frucht. Doch Philip war nicht gewillt, sich vor ihren Karren spannen zu lassen – weder vor ihren noch vor einen anderen! Die Zeiten, da er mit sich machen ließ, was andere wollten, waren ein für alle Mal vorbei. Von nun an würde er selbst die Zügel in der Hand behalten.
So weit, so gut – nur: Was konnte er tun? Wenn er, Philip, sich auf einen Streit mit Waleran einließ, bekam Percy die begehrten Ländereien. Verhielt er sich still, bekam sie Waleran.
Was waren die Motive des Königs? Er wollte einen Beitrag zur Errichtung einer neuen Kathedrale leisten: eine wahrhaft königliche Tat, von der seine Seele nach dem Tod nur würde profitieren können. Andererseits musste er Percy Hamleigh für seine Treue belohnen. So seltsam es erscheinen mochte – eine besondere Notwendigkeit, den beiden im Grunde viel mächtigeren Bischöfen zu Gefallen zu sein, bestand für ihn nicht. Vielleicht, dachte Philip, lassen sich meine Ansprüche und die der Hamleighs in einer für den König annehmbaren Form befriedigen …
Und da kam ihm auf einmal eine Idee. Sie gefiel ihm. Das Letzte, womit seine Widersacher rechneten, war eine mögliche Allianz zwischen ihm und den Hamleighs. Und gerade deshalb war sie erfolgversprechend. Die Bischöfe, die auf einen solchen Fall nicht vorbereitet waren, würden gleichsam auf dem falschen Fuß erwischt werden …
Wer zuletzt lacht, lacht am besten, dachte Philip.
Voraussetzung war allerdings eine entsprechende Vereinbarung mit den Hamleighs, und ob die zu erreichen war, stand in den Sternen. Percy begehrte das reiche Ackerland von Shiring, den Grafentitel, die Macht und das Ansehen eines starken Ritterheeres unter seinem Befehl. Das reiche Ackerland begehrte auch er, Philip, darüber hinaus lag ihm an der Nutzung des Steinbruchs und der Wälder. Titel und Ritterheer reizten ihn dagegen nicht.
Vor seinem geistigen Auge begann sich ein Kompromiss abzuzeichnen. Es war noch nicht alles verloren.
Wie wonnig wäre ein später Triumph – nach all dem, was geschehen war!
Mit wachsender Begeisterung bedachte Philip nun sein Verhalten gegenüber den Hamleighs. Den demütigen Bittsteller würde er nicht spielen, so viel stand fest. Er wollte ihnen vielmehr einen Vorschlag machen, den abzulehnen sie sich einfach nicht leisten konnten.
Als sie wieder in Winchester ankamen, war Philips Pferd unwillig und er selbst bis auf die Haut durchnässt, aber er hatte auch einen Plan.
Unter dem Bogen des Westtors sagte er zu William: »Bringt mich zu Eurer Mutter!«
William war überrascht. »Ich dachte, Ihr wolltet sogleich zu Bischof Waleran …«
Diese Reaktion hat ihm sicher Regan vorausgesagt, dachte Philip. »Verschont mich mit Euren Gedanken, Bursche!«, fuhr er seinen Begleiter an. »Bringt mich zu Eurer Mutter, das genügt vollauf!« Er war mehr als bereit für die Auseinandersetzung mit Lady Regan. Lange genug hatte er sich zurückgehalten.
William wandte sich nach Süden und führte Philip zu einem Gebäude in der Gold Street, die zwischen der Burg und der Kathedrale lag. Es war ein großes Holzhaus mit hüfthohem Steinsockel. Sie betraten eine breite Diele, von der mehrere Wohnungen abzweigten. Wahrscheinlich logierten die Hamleighs hier zur Untermiete – zahlreiche Bürger der Stadt Winchester vermieteten Zimmer an Besucher des königlichen Hofs. Als Graf würde Percy über ein eigenes Stadthaus verfügen.
William führte Philip in einen zur Straße hin ausgerichteten Raum mit einem großen Bett und einem Kamin. Regan saß vor dem Feuer, Percy stand neben ihr. Philips unerwartetes Erscheinen überraschte
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