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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wirkte Regan auf einmal menschlicher. Trotzdem ertrug Philip ihren Anblick nur für kurze Zeit. »Für viele Bischöfe«, fuhr sie fort, »wäre eine schöne Kathedrale in der Tat das Allerwichtigste. Waleran setzt hingegen andere Prioritäten. Aber wie dem auch sei: Solange er an der Quelle sitzt, kann er Euch und Euren Baumeistern jederzeit den Geldhahn zudrehen … ganz nach seinem Belieben.«
    Da hatte sie recht, dachte Philip. Wenn Waleran die Pachtgelder einnimmt, behält er natürlich einiges davon für sich. Und wie viel das sein wird, entscheidet einzig und allein er selbst. Niemand könnte ihn daran hindern, Geld für Dinge abzuzweigen, die mit der Kathedrale nicht das Geringste zu tun haben. Und ich müsste mir Monat für Monat den Kopf darüber zerbrechen, wie ich meine Bauleute bezahlen soll … Nein, am besten wäre es natürlich, wenn die Ländereien in den Besitz der Priorei übergingen …
    Klar war freilich, dass Waleran sich auf einen solchen Vorschlag nie und nimmer einlassen würde und dass Bischof Henry seinen Amtsbruder deckte. In diesem Fall blieb Philip nur noch der direkte Appell an den König, der sich allerdings dazu bewogen fühlen könnte, den Streit der Kirchenvertreter durch die Übertragung der Grafschaft Shiring an Percy Hamleigh ein für alle Mal zu schlichten.
    Und das war genau das, was Regan wollte.
    Philip schüttelte den Kopf. »Wenn Waleran mich wirklich täuschen will – warum hat er mich dann mitgenommen? Er hätte doch seine Bitte auch allein vortragen können.«
    Sie nickte. »Hätte er, ja. Aber vielleicht hätte der König Zweifel an seiner Aufrichtigkeit gehabt und der Behauptung, er wolle die Grafschaft nur haben, um mit ihrer Hilfe eine Kathedrale zu bauen, keinen Glauben geschenkt. Alle Verdächte, die Stephan gehegt haben mag, habt Ihr zerstreut, indem Ihr Waleran begleitet und seinen Anspruch unterstützt habt.« Sie verfiel wieder in den verächtlichen Ton. »Und Ihr seht so jämmerlich aus in Eurer verdreckten Kutte! Der König bemitleidet Euch geradezu! Nein, es war wirklich ein geschickter Schachzug von Waleran, Euch mitzunehmen.«
    Philip beschlich das entsetzliche Gefühl, Regan Hamleigh könne in allem, was sie sagte, recht haben, doch war er nicht bereit, es einzugestehen. »Ihr wollt ja nur, dass Euer Gemahl Graf von Shiring wird«, sagte er.
    »Ich könnte Euch den Beweis für die Richtigkeit meiner Worte liefern«, sagte die Frau. »Vorausgesetzt, Ihr seid bereit, einen halbtägigen Ritt auf Euch zu nehmen …«
    In Regan Hamleighs Machenschaften hineingezogen zu werden war das Letzte, was Philip wollte. Aber er musste herausfinden, ob an ihren Behauptungen etwas dran war, und so stimmte er widerstrebend zu. »Gut, ich komme mit.«
    »Morgen?«
    »Ja.«
    »So haltet Euch im ersten Tageslicht bereit.«
    William Hamleigh war es, der Sohn von Percy und Regan, der am nächsten Morgen, als die Mönche die Prim zu singen begannen, im Außenhof des Klosters auf Philip wartete. Die beiden verließen Winchester durch das westliche Stadttor und bogen unmittelbar dahinter in die gen Norden führende Straße nach Athelynge ein. Auch der Palast von Bischof Waleran lag, wie Philip wusste, in dieser Richtung und war ungefähr eine halbe Tagesreise entfernt. Dorthin bringt er mich also, dachte Philip. Aber warum? Er war zutiefst misstrauisch und nahm sich vor, auf der Hut zu sein. Den Hamleighs war durchaus zuzutrauen, dass sie ihn vor ihren Karren spannen wollten – die Frage war nur, wie. Vielleicht waren die Hamleighs hinter einem bestimmten Dokument her, das sich in Walerans Besitz befand, und wollten es sehen oder sogar stehlen. Es konnte sich um einen Vertrag oder ein königliches Privileg handeln. Vielleicht wollte der junge Lord William der bischöflichen Kanzlei vorflunkern, er und Philip seien geschickt worden, das Dokument abzuholen … und vielleicht schenkte man ihm sogar Glauben, weil der Prior von Kingsbridge ihn begleitete. Mit dieser oder einer ähnlichen List war bei William Hamleigh immer zu rechnen – und deshalb wollte Philip auf der Hut sein.
    Es war ein trüber, grauer Morgen. Ein feiner, durchdringender Nieselregen fiel. William schlug auf den ersten paar Meilen ein forsches Tempo an. Um den Pferden Gelegenheit zum Verschnaufen zu geben, verlangsamte er schließlich den Schritt. Nach einer Weile sagte er zu Philip: »So wollt Ihr mir also die Grafschaft wegnehmen, Mönch, he?«
    Der feindselige Ton verwirrte und empörte Philip; er

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