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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bringen dir jeden Tag warmes Essen. Wir können Kerzen mitbringen und vielleicht sogar eine Bibel für dich ausleihen. Du kannst ein Feuer machen …«
    »Nichts da!«, fiel er ihr ins Wort. »Ihr werdet nichts dergleichen tun. Ich erlaube es euch nicht, dass ihr eure Zeit damit verschwendet, hier herumzulungern und zu warten, bis ich tot bin.«
    Aliena kamen erneut die Tränen. »Aber wir können dich doch nicht einfach deinem Schicksal überlassen!«
    Wie stets, wenn jemand ihm törichterweise zu widersprechen wagte, überhörte er den Einwand einfach. »Eure liebe Mutter hatte eine Schwester, eure Tante Edith. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Ritter, in dem Dorf Huntleigh an der Straße nach Gloucester. Dort geht hin.«
    Dann konnten sie Vater regelmäßig besuchen, fiel Aliena ein. Vielleicht gestattete er wenigstens seiner Schwägerin und ihrem Mann, ihm ein paar Erleichterungen zu verschaffen. Sie versuchte, sich Tante Edith und Onkel Simon ins Gedächtnis zu rufen, die sie seit Mamas Tod nicht mehr gesehen hatte. Sie entsann sich undeutlich einer schmalen, nervösen Frau, die ihrer Mutter glich, und eines großen, lebhaften Mannes, der bei Tisch kräftig zugelangt hatte. »Werden sie sich um uns kümmern?«, fragte sie zweifelnd.
    »Natürlich. Sie sind doch eure Verwandten.«
    Aliena fragte sich, ob das ein hinreichender Grund war, dass eine in bescheidenen Verhältnissen lebende Ritterfamilie zwei hungrige Heranwachsende bei sich aufnahm; aber Vater hatte es behauptet, und sie vertraute ihm.
    »Was sollen wir dort tun?«, fragte sie.
    »Richard wird Schildknappe seines Onkels und die Fertigkeiten des Rittertums erlernen. Und du wirst bis zu deiner Verheiratung Tante Ediths Kammerzofe sein.«
    Im Laufe des Gesprächs überkam Aliena das Gefühl, sie hätte nun schon meilenweit eine schwere Last mit sich herumgetragen und spüre erst jetzt, da sie ihr von den Schultern genommen wurde, wie sehr ihr Rücken schmerzte. Jetzt hatte Vater wieder das Sagen, und ihr wurde klar, dass die Verantwortung der letzten Tage viel zu groß für sie gewesen war. Wie beruhigend, dass er trotz Krankheit und Gefangensetzung alles zuverlässig im Griff hatte! Vor allem aber erleichterte sie, dass sie nun ihrer Hauptsorge ledig war – denn es schien höchst überflüssig, sich ausgerechnet um ihn zu sorgen, der so bereitwillig das Kommando übernahm.
    Jetzt wurde er sogar noch herrischer. »Bevor ihr geht, werdet ihr mir beide einen Eid schwören.«
    Aliena war entsetzt: Davor hatte er sie stets gewarnt. Einen Eid schwören heißt, seine Seele aufs Spiel zu setzen, pflegte er zu sagen. Schwöre nur, wenn du absolut sicher bist, eher sterben zu wollen als den Schwur zu brechen. Und genau eines solchen Schwurs wegen war er hier: Alle anderen Barone hatten ihr Wort gebrochen und König Stephan den Treueid geleistet, nur Vater hatte sich geweigert. Er wäre lieber gestorben, als seinen Schwur zu brechen – und genau das war jetzt der Fall.
    »Gib mir dein Schwert«, sagte er zu Richard.
    Richard zog sein Schwert und reichte es ihm.
    Vater nahm es an sich, drehte es um und deutete mit dem Heft nach vorn. »Knie dich hin.«
    Richard kniete vor seinem Vater nieder.
    »Leg deine Hand auf das Heft.« Er hielt inne, um Kraft zu schöpfen. Dann ertönte seine Stimme so laut wie Glockenschläge: »Schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, bei Jesus Christus und allen Heiligen, dass du nicht eher ruhen wirst, als bis du Graf von Shiring und Herr über alle Ländereien bist, über die ich einst gebot.«
    Aliena vernahm es überrascht und betroffen. Sie hatte etwas Gewöhnlicheres von Vater erwartet, wie das Versprechen, stets die Wahrheit zu sagen und Gott zu fürchten; aber nein, er gab Richard einen genau umrissenen Auftrag, den zu erfüllen womöglich sein ganzes Leben lang dauerte!
    Richard holte tief Luft und sprach mit leicht zitternder Stimme: »Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, bei Jesus Christus und allen Heiligen, dass ich nicht eher ruhen werde, als bis ich Graf von Shiring und Herr über alle Ländereien bin, über die du einst gebotest.«
    Vater stieß einen Seufzer aus, als wäre ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Gleich darauf verblüffte er Aliena noch einmal. Er drehte sich um und hielt ihr das Heft des Schwertes entgegen. »Schwöre bei Gott dem Allmächtigen, bei Jesus Christus und allen Heiligen, dass du für deinen Bruder Richard Sorge tragen wirst, bis er sein Gelübde erfüllt hat.«
    Aliena fühlte sich wie

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