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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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für uns zu treffen, aber er …«
    »Zwecklos«, unterbrach er sie, bevor sie erklären konnte, warum der König nicht zu sprechen war. »Er wird keinen Finger für euch rühren.«
    Sein harscher Ton wirkte verletzend auf Aliena. Hatte sie sich nicht alle Mühe gegeben, das Beste aus ihrer aussichtslosen Situation zu machen? Hatte sie dafür gar kein Lob verdient? Nur eine abfällige Bemerkung, die deutlich besagte: Das war reine Zeitverschwendung. Nun ja, mit Kritik war Vater stets schnell bei der Hand. Eigentlich sollte ich daran gewöhnt sein, dachte sie und fragte fügsam: »Was sollen wir jetzt tun, Vater?«
    Er rutschte auf dem Stroh ein wenig hin und her, und dabei ertönte ein vernehmliches Klirren. Alienas Entsetzen nahm kein Ende: Sie hatten ihn tatsächlich in Ketten gelegt! »Mir blieb nur eine Möglichkeit, wenigstens etwas Geld zu verstecken. Nichts wirklich Sicheres, aber die einzige Gelegenheit, die sich bot. In der Geldkatze unter meinem Hemd hatte ich fünfzig Byzantiner, und die übergab ich einem Priester.«
    »Fünfzig Byzantiner!«, japste Aliena verblüfft. Das waren Goldstücke, die nicht in England geschlagen wurden, sondern aus Byzanz kamen. Sie hatte noch nie erlebt, dass jemand mehr als einen davon besaß. Ein Byzantiner war vierundzwanzig Silberpennys wert, dann waren fünfzig – nein, so weit reichten ihre Rechenkünste nicht aus.
    »Welchem Priester?«, wollte Richard vernünftigerweise wissen.
    »Vater Ralph von der St.-Michaelis-Kirche am Nordtor.«
    »Ist er ein guter Mensch?«, fragte Aliena.
    »Das kann ich nur hoffen, aber sicher bin ich nicht. An dem Tag, da die Hamleighs mich nach Winchester brachten, war ich zufällig ein paar Augenblicke allein mit ihm, bevor sie mich einsperrten. Ich wusste, dass das die letzte Gelegenheit für mich war. Also gab ich ihm meine Geldkatze und flehte ihn an, sie sicher für euch aufzubewahren. Fünfzig Byzantiner, das sind immerhin fünf Pfund Silber.«
    Fünf ganze Pfund! Diese Neuigkeit musste Aliena erst einmal verdauen, doch dann begriff sie sofort, dass dieses Geld ihr Leben von Grund auf verändern würde: Das war das Ende ihrer Armut! Von nun an mussten sie nicht mehr von der Hand in den Mund leben, sie konnten sich Brot kaufen und sogar die höllisch unbequemen Holzschuhe durch richtige Stiefel ersetzen. Ja, sie konnten sich, sollten sie wieder reisen müssen, zwei billige Ponys leisten. Gewiss, das Geld würde nicht ewig reichen, doch zunächst einmal enthob es sie des beängstigenden Gefühls, unentwegt am Rande des Abgrunds entlangzubalancieren. In Zukunft musste sie nicht mehr all ihre Gedanken der Frage widmen, wie sie den nächsten Tag überstehen sollten. Statt dessen könnte sie sich den wesentlichen Dingen zuwenden – wie Vater aus diesem schrecklichen Gefängnis befreit werden konnte. »Was sollen wir anfangen, wenn wir das Geld haben?«, fragte sie. »Wir müssen dich freibekommen.«
    »Ich komme hier nicht mehr raus«, beschied er sie grob. »Daran ist überhaupt nicht zu denken. Sie hätten mich doch längst aufgeknüpft, wenn ich nicht im Sterben läge.«
    Aliena rang um Luft. Wie konnte Vater nur derart reden?
    »Was entsetzt dich daran?«, fragte er sie. »Der König muss mich auf jeden Fall aus dem Weg schaffen, und auf diese Weise hat er mich nicht selbst auf dem Gewissen.«
    »Vater«, schlug Richard vor, »ich glaube, ich kann dich hier herausholen. Die Wachleute sind nicht besonders aufmerksam, wenn der König nicht da ist, und mit ein paar Mann müsste ich es schaffen.«
    Aliena brauchte nicht lange nachzudenken, um zu wissen, dass dieser Befreiungsplan scheitern musste: Dazu besaß Richard weder die nötige Erfahrung noch die erforderlichen Fähigkeiten. Und davon ganz abgesehen, war er einfach zu jung – kein erwachsener Mann würde sich seinem Befehl unterordnen.
    Sie befürchtete schon, Vater könne den Bruder durch eine seiner höhnischen Bemerkungen verletzen, aber er sagte nur: »Schlag dir das aus dem Kopf. Solltest du dennoch hier einbrechen, werde ich mich weigern, dir zu folgen.«
    Es hatte keinen Sinn, sich noch mit ihm zu streiten, wenn er einmal eine Entscheidung getroffen hatte. Dennoch wollte Aliena schier das Herz brechen bei dem Gedanken, dass Vater seine letzten Tage in dieser stinkenden Zelle verbringen musste. Aber konnte sie nicht doch einiges tun, um ihm das Leben zu erleichtern? »Gut«, sagte sie, »wenn du bleiben willst, machen wir hier sauber und besorgen frische Binsen. Und wir

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