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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wahnsinnigen Kopfschmerzen in der Ecke eines Käfigs und kam sich wie ein Dummkopf und Versager vor. Letzten Endes hatte er sich als ebenso nutzlos erwiesen wie der hasenherzige Bischof Alexander. Kein einziges Menschenleben hatte er gerettet, keinen einzigen Schlag verhindert. Ohne ihn wären die Bürger von Lincoln keinen Deut schlechter gefahren. Im Gegensatz zu Abt Peter war es ihm nicht gelungen, der Gewalt Einhalt zu gebieten. Ich bin eben nicht aus dem gleichen Holz wie Vater Peter geschnitzt, dachte er.
    Doch damit nicht genug: In seinem vergeblichen Bemühen, den Einwohnern der Stadt zu helfen, hatte er womöglich jede Chance vertan, von Mathilde, war sie erst Königin, irgendwelche Konzessionen zugestanden zu bekommen. Er war Gefangener ihrer Armee. Daraus würde man schließen, dass er zu König Stephans Streitkräften gehört hatte. Das Kloster in Kingsbridge würde ein Lösegeld für seine Freilassung bezahlen müssen. Und höchstwahrscheinlich würde die ganze Sache Mathilde zu Ohren kommen, sodass sie von vornherein gegen ihn eingenommen war. Philip fühlte sich elend, enttäuscht und zutiefst reumütig.
    Im Laufe des Tages wurden noch mehr Gefangene gebracht. Der Strom riss zwar bei Anbruch der Nacht ab, doch die Plünderung der Stadt ging unvermindert weiter. Das Geschrei und Geheul und der zerstörerische Lärm waren bis in die Burg hinein zu hören. Erst gegen Mitternacht wurde es ruhiger; vermutlich, weil die Soldaten sich nunmehr an ihrem erbeuteten Wein so berauscht, an ihren Vergewaltigungen und Brutalitäten so übersättigt hatten, dass sie zu keinen weiteren Untaten mehr fähig waren. Einige taumelten und stolperten in den Burghof, wo sie sich lallend ihrer Heldentaten rühmten und heftig miteinander stritten, bis sie endlich umfielen, ins Gras kotzten und besinnungslos einschliefen.
    Auch Philip schlief, obwohl er nicht genügend Platz hatte, um sich auszustrecken, und sich in seiner Ecke mit dem Rücken gegen das hölzerne Käfiggitter lehnen musste. Im Morgengrauen erwachte er, schlotternd vor Kälte, aber der Schmerz in seinem Kopf war Gott sei Dank ein wenig abgeklungen. Er stand auf, vertrat sich die Beine, so gut er konnte, und schlug sich mit den Armen gegen den Körper, damit ihm wärmer wurde. Sämtliche Gebäude der Burganlage barsten schier vor Menschen. Nicht nur die Ställe waren voll schlafender Männer, die ihre Pferde draußen angebunden hatten, auch aus den offenen Türen des Backhauses und der Küche ragten die Beine der Schläfer. Die wenigen nüchtern gebliebenen Soldaten hatten Zelte aufgeschlagen. Und überall wimmelte es von Pferden. Im Südosten des Burggeländes stand der Wohnturm – eine Burg in der Burg – auf einer hohen Motte; seine mächtigen Mauern bargen ein halbes Dutzend oder mehr Holzhäuser. Dort schliefen wahrscheinlich die Grafen und Ritter ihren Siegesrausch aus.
    Philips Gedanken wandten sich den Folgen der gestrigen Schlacht zu. Ob damit der Krieg zu Ende war? Vermutlich. Vielleicht würde Stephans Frau, Königin Matilda, noch weiterkämpfen: Sie war Gräfin von Boulogne, hatte zu Beginn des Krieges mit ihren französischen Rittern Dover erobert und herrschte, stellvertretend für ihren Mann, über einen Großteil von Kent. Allerdings dürfte es ihr schwerfallen, die Unterstützung der Barone zu gewinnen, solange Stephan gefangen saß. In Kent mochte sie sich noch eine Zeit lang behaupten, doch dass sie noch weitere Gebiete hinzugewann, war unwahrscheinlich.
    Doch damit allein war die Kaiserin Mathilde noch lange nicht aller Sorgen ledig. Zunächst musste sie ihren militärischen Erfolg konsolidieren, die Zustimmung der Kirche erlangen und sich in Westminster krönen lassen. Doch das erforderte nur ein wenig Entschlusskraft und eine Portion Klugheit und sollte ihr eigentlich nicht schwerfallen.
    Damit stünden dann auch die Zeichen für Kingsbridge gut – vorausgesetzt Philip gelang es, aus der Gefangenschaft entlassen zu werden, ohne als Anhänger Stephans zu gelten.
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch je heller es wurde, desto mehr erwärmte sich die Luft. Allmählich erwachten auch Philips Mitgefangene und ächzten vor Schmerzen: Die meisten hatten leichte Verletzungen davongetragen und fühlten sich nach der kalten Nacht in diesem zugigen Holzkäfig eher schlechter als besser. Einige von ihnen waren reiche Bürger, andere während der Schlacht in Gefangenschaft geratene Ritter. Sobald so gut wie alle wach waren, fragte Philip: »Hat

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