Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Einmal gab er gar eine komische Version des mönchischen Lebens zum Besten und stattete jeden Einzelnen mit einem glaubwürdigen Laster aus – Remigius mit Hochmut, Bernard, den Küchenmeister, mit Völlerei, den Gästemeister mit Trunkenheit und Pierre, den Cirkator, mit Lüsternheit. Martha kugelte sich oft vor Lachen, und selbst der in sich gekehrte Tom konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Es war an einem dieser Abende, als Aliena plötzlich sagte: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich all diesen Stoff überhaupt verkaufen kann.«
Ihre Bemerkung rief Bestürzung hervor, und Ellen meinte: »Warum weben wir dann überhaupt weiter?«
»Weil ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben habe«, erwiderte Aliena. »Es gibt da eine Schwierigkeit, für die ich eine Lösung finden muss.«
Tom sah von seiner Schiefertafel auf. »Ich dachte, die Priorei kauft bereitwillig alles auf.«
»Das ist es auch nicht. Aber ich kann niemanden auftreiben, der den Stoff walken will, und die Priorei ist an lose gewebter Wolle nicht interessiert – und sonst auch niemand.«
»Walken ist die reinste Plackerei«, sagte Ellen. »Es wundert mich nicht, dass das niemand machen will.«
»Könnt Ihr denn dafür keine Männer einstellen?«, schlug Tom vor.
»Nicht im wohlhabenden Kingsbridge. Die Männer hier haben Arbeit genug. In den großen Städten gibt es zwar richtige Walker, aber die meisten arbeiten für irgendwelche Weber und dürfen nicht für die Konkurrenten ihrer Brotherren walken. Außerdem wäre es viel zu teuer, den Stoff erst nach Winchester und dann wieder zurückzutransportieren.«
»Ein echtes Problem«, pflichtete Tom ihr bei und wandte sich wieder seiner Zeichnung zu.
Jack hatte eine Idee. »Schade, dass wir für die Arbeit keinen Ochsen nehmen können.«
Die anderen lachten. Tom sagte: »Das ist ja fast, als wolltest du einem Ochsen beibringen, Kirchen zu bauen.«
»Oder eine Mühle«, beharrte Jack. »Normalerweise gibt es gerade für die schwersten Arbeiten einfache Lösungen.«
»Aber sie will den Stoff walken, nicht mahlen«, wandte Tom ein.
Jack hörte nicht zu. »Schließlich benutzen wir Hebemechanismen und Winden, um die Steine auf die hohen Gerüste zu hieven.«
»Oh, das wäre einfach wundervoll, wenn dieser Stoff durch irgendeine geschickte Vorrichtung gewalkt werden könnte«, meinte Aliena.
Jack musste daran denken, wie viel Freude er ihr bereiten würde, wenn er ihr diese Schwierigkeiten aus dem Weg räumen konnte. Er nahm sich vor, eine Lösung zu finden.
»Ich habe von einer Wassermühle gehört, die den Blasebalg in einem Hüttenwerk antreibt«, sagte Tom nachdenklich, »aber gesehen habe ich sie nicht.«
»Tatsächlich!«, entfuhr es Jack. »Das ist der Beweis!«
Tom sagte: »Ein Mühlrad dreht sich im Kreis, und ein Mühlstein dreht sich ebenfalls im Kreis, und deswegen kann eins das andere antreiben; aber der Walkknüppel geht rauf und runter. Du kannst ein rundes Mühlrad nicht dazu bringen, einen Knüppel, der rauf- und runtergeht, anzutreiben.«
»Aber ein Blasebalg geht rauf und runter.«
»Stimmt, stimmt; aber ich habe das Hüttenwerk nie mit eigenen Augen gesehen, man hat mir lediglich davon erzählt.«
Jack versuchte, sich den Mechanismus einer Mühle vorzustellen: Das Mühlrad wurde durch die Kraft des Wassers angetrieben. Die Radachse war mit einem weiteren Rad in der Mühle verbunden. Dieses Rad, das aufrecht stand, hatte Zähne, die in die Zähne eines weiteren, flach liegenden Rades griffen. Das flache Rad trieb den Mühlstein an. »Ein aufrechtes Rad kann ein flachliegendes Rad antreiben«, murmelte Jack vor sich hin.
Martha lachte. »Jack, nun mach einen Punkt! Wenn Mühlen Stoff walken könnten, wäre bestimmt schon irgendein kluger Kopf darauf gekommen.«
Jack beachtete sie nicht. »Die Walkknüppel könnten an der Achse des Mühlrads befestigt werden«, sagte er. »Der Stoff könnte an der Stelle, wo die Knüppel aufprallen, flach hingelegt werden.«
Tom sagte: »Aber die Knüppel würden einmal zuschlagen und dann stecken bleiben; und das Rad ebenfalls. Wie oft muss ich es denn noch wiederholen – Räder drehen sich im Kreis, aber Knüppel müssen rauf- und runtergehen.«
»Es muss eine Lösung geben«, beharrte Jack.
»Es gibt aber keine«, sagte Tom mit Entschiedenheit; sein Tonfall ließ keine Widerrede zu.
»Ich gehe jede Wette ein, dass es doch eine gibt«, murmelte Jack aufsässig; Tom tat, als hätte er nichts gehört.
Am folgenden Sonntag
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