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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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betrat sein Haus.
    Der Besucher war sein Bruder Francis, der einen sorgenvollen Eindruck machte. Philip umarmte ihn herzlich. »Hat man dir etwas zu essen angeboten?«, wollte er wissen. »Du siehst erschöpft aus.«
    »Man hat mich bereits mit Brot und Fleisch versorgt, danke. Ich habe den ganzen Herbst damit zugebracht, zwischen Bristol und Rochester hin- und herzureiten. König Stephan wurde in Bristol, Earl Robert in Rochester gefangen gehalten.«
    »Wurde, sagst du?«
    Francis nickte. »Ich habe die Verhandlungen für den Austausch geführt: Stephan gegen Robert. Allerheiligen ist es dann geschehen. König Stephan ist mittlerweile wieder in Winchester.«
    Philip war überrascht. »Da hat die Kaiserin Mathilde aber einen schlechten Tausch gemacht – einen König gegen einen Grafen!«
    Francis schüttelte den Kopf. »Ohne Robert kommt sie nicht weiter. Sie ist unbeliebt und genießt außerdem kein Vertrauen. Und allmählich hat sie jeglichen Rückhalt verloren. Sie musste Robert zurückhaben. Es war ein kluger Schachzug der Königin Matilda, keinen anderen als König Stephan im Austausch zu akzeptieren. Sie hatte es von vornherein auf ihn abgesehen und sich schließlich auch durchgesetzt.«
    Philip trat ans Fenster und blickte hinaus. Es hatte angefangen zu regnen; ein kalter, schräg über die Baustelle peitschender Regen, der die hohen Mauern der Kathedrale in Dunkelheit tauchte und von den niedrigen, strohgedeckten Dächern der Bauhütten troff. »Und was hat das zu bedeuten?«, fragte er schließlich.
    »Das heißt, dass Mathilde einmal mehr nichts weiter als Anwärterin auf den Thron ist. Schließlich ist Stephan tatsächlich gekrönt worden, während Mathilde es nie so weit gebracht hat.«
    »Aber sie war es, die mir die Genehmigung für den Markt gab.«
    »Ja. Das könnte unangenehm werden.«
    »Ist meine Genehmigung denn ungültig?«
    »Nein. Sie ist durch eine legitime, von der Kirche bestätigte Herrscherin gewährt worden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie gekrönt war oder nicht. Aber es könnte passieren, dass Stephan die Lizenz widerruft.«
    »Mit den Einnahmen aus dem Markt bezahle ich die Steine«, sagte Philip besorgt. »Ohne ihn kann ich nicht weiterbauen. Das sind sehr schlechte Nachrichten!«
    »Es tut mir leid für dich.«
    »Und meine hundert Pfund?«
    Francis zuckte die Achseln. »Stephan wird dir wahrscheinlich ans Herz legen, sie dir von Mathilde zurückzuholen.«
    Philip wurde ganz elend. »Das ganze Geld«, murmelte er. »Es ist Gottes Geld, und ich habe es verloren.«
    »Das ist nicht gesagt«, beschwichtigte Francis ihn. »Vielleicht nimmt Stephan die Genehmigung gar nicht zurück. Er hat nie ein sonderliches Interesse am Marktrecht bekundet, so oder so.«
    »Graf William könnte Druck auf ihn ausüben.«
    »William hat aber das Lager gewechselt, erinnerst du dich? Er hat sich auf Mathildes Seite geschlagen. Bei Stephan hat er bestimmt keinen Stein mehr im Brett.«
    »Ich hoffe, du hast recht«, sagte Philip inbrünstig. »Bei Gott, ich hoffe wirklich, dass du recht hast.«
    Als es zu kalt wurde, um auf der Lichtung zu sitzen, machte Aliena es sich zur Angewohnheit, abends bei Tom Builder hereinzuschauen. Alfred war gewöhnlich in der Schenke, und so bestand die Familie aus Tom, Ellen, Jack und Martha. Und da Tom mittlerweile gut verdiente, saßen sie gemütlich vor einem hell brennenden Feuer und verfügten über einen ausreichenden Vorrat an Kerzen. Ellen und Aliena beschäftigten sich mit Webarbeiten, Tom zeichnete gewöhnlich Pläne und Diagramme, die er mit einem scharfkantigen Stein auf ein poliertes Stück Schiefer ritzte. Jack erweckte zwar den Anschein, entweder einen Gürtel herzustellen, Messer zu schleifen oder einen Korb zu flechten, aber in Wirklichkeit verbrachte er die meiste Zeit damit, heimlich auf Alienas vom Kerzenlicht beschienenes Gesicht zu starren, die Bewegung ihrer Lippen beim Sprechen zu beobachten oder ihren weißen Hals zu betrachten, wenn sie an ihrem Bier nippte. Sie lachten viel in diesem Winter. Jack liebte nichts mehr, als Aliena zum Lachen zu bringen. Gewöhnlich war sie derart zurückhaltend und beherrscht, dass es eine wahre Freude war, wenn sie aus sich herausging – beinahe, als erhaschte er einen Blick auf die nackte Aliena. Er ließ sich immer wieder etwas Neues einfallen, womit er sie belustigen konnte. Er imitierte die Handwerker auf der Baustelle, den Akzent eines Pariser Steinmetzen etwa oder die x-beinige Gangart eines Schmieds.

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