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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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seid – kommt und macht von unserer Mildtätigkeit Gebrauch. Und wenn Ihr zu stolz dazu seid und statt dessen lieber gegen das Gesetz verstoßt, dann müsst Ihr eben bestraft werden, wie jeder andere auch. Habt Ihr verstanden?«
    »Ja, Herr«, erwiderte die Alte mürrisch.
    »Einen Viertelpenny Strafe für Euch«, sagte Philip. »Die Gerichtsverhandlung ist beendet.«
    Damit erhob er sich, ging hinaus und stieg die Stufen der Krypta hinauf.
    Es waren noch etwa vier Wochen bis Weihnachten, und die Arbeit an der Kathedrale war, wie immer um diese Jahreszeit, ins Stocken geraten. Die offenen, unvollendeten Mauern waren zum Schutz gegen Frost mit Stroh und Dung – dem Mist aus den Ställen der Priorei – abgedeckt worden. Bei Frost kann man nicht bauen, hieß es unter den Maurern. Philip hatte wissen wollen, warum sie die Mauern nicht jeden Morgen ab und abends wieder zudeckten, denn tagsüber gefror es so gut wie nie. Tom hatte behauptet, im Winter gebaute Mauern stürzten wieder ein. Philip zweifelte zwar nicht daran, führte es allerdings nicht auf den Frost zurück, sondern auf den Mörtel, der etliche Monate brauchte, um richtig fest zu werden, bevor die Mauern im neuen Jahr höher gezogen wurden. So ließ sich auch der Aberglaube der Maurer erklären, es brächte Unglück, mehr als zwanzig Fuß hoch im Jahr zu bauen: Ging man darüber hinaus, so lief man Gefahr, dass sich die unteren Reihen durch das Gewicht, das auf ihnen lastete, verschoben, weil der Mörtel sich noch nicht richtig gesetzt hatte.
    Philip stellte überrascht fest, dass die Maurer sich samt und sonders im Freien, und zwar im zukünftigen Altarraum der neuen Kirche, versammelt hatten. Neugierig ging er hinüber.
    Sie hatten einen aus Holz gefertigten Rundbogen auf zwei Pfosten gesetzt. Philip wusste, dass der Holzbogen Teil der von ihnen sogenannten Schablone war und dazu diente, den steinernen Bogen während der Bauarbeiten abzustützen. Im Augenblick allerdings fügten sie die Steine ohne Mörtel zusammen, um festzustellen, ob sie fugenlos passten. Die Steinmetzen sahen kritisch zu, während die Lehrlinge und Arbeiter Stück für Stück auf die Schablone hievten.
    Philip lenkte Toms Blick auf sich und fragte: »Wo gehört das hin?«
    »Das ist ein Bogen fürs Triforium.«
    Philip ließ seinen Blick nachdenklich in die Höhe schweifen. Die Arkade war im vergangenen Jahr fertiggestellt worden, und das darüberliegende Triforium sollte im nächsten Jahr in Angriff genommen werden. Dann blieb nur noch der Lichtgaden im Hauptschiff, bevor der Dachstuhl errichtet wurde. Da die Mauern den Winter über abgedeckt blieben, schnitten die Steinmetzen mittlerweile die nötigen Quader für das kommende Jahr. Wenn es mit diesem Bogen seine Richtigkeit hatte, konnten alle anderen nach dem gleichen Muster gearbeitet werden.
    Die Lehrlinge, unter denen sich auch Toms Stiefsohn Jack befand, fügten den Bogen aus keilförmigen Steinen von beiden Seiten gleichzeitig zusammen. Obwohl er letztlich seinen Platz hoch oben in der Kirche finden würde, war er doch an den Stirnseiten mit komplizierten Friesen geschmückt, und jeder einzelne Stein wies ein Hundszahn-Ornament, darunter ein Scheibenfries und zum Abschluss am unteren Ende einen einfachen Rundstab auf. Zusammengefügt ergaben die gemeißelten Muster drei fortlaufende Bögen aus den drei verschiedenen Ornamenten, sodass beim Betrachter der Eindruck entstand, der Rundbogen bestehe aus mehreren halbrunden, übereinanderliegenden Steinreifen, während er sich in Wirklichkeit aus nebeneinanderliegenden Keilen zusammensetzte. Um diese optische Täuschung zu erzielen, mussten sowohl die Steine als auch die Ornamente exakt passen.
    Philip sah zu, wie Jack den Schlussstein in der Mitte einfügte. Jetzt war der Bogen vollständig. Vier Steinmetzen griffen nach ihren Vorschlaghämmern und schlugen die Keile weg, die die hölzerne Schablone trugen. Es war ein atemberaubender Moment, als sie zu Boden fiel – und der Bogen hielt, auch ohne Mörtel! Tom Builder gab einen zufriedenen Grunzer von sich.
    Philip spürte, dass ihn jemand am Ärmel zog. Er drehte sich um und erblickte einen jungen Mönch. »Ihr habt Besuch, Vater. Er wartet in Eurem Haus auf Euch.«
    »Danke, mein Sohn.« Philip kehrte den Bauleuten den Rücken. Die Tatsache, dass die Mönche den Besucher ins Haus des Priors geführt hatten, ließ darauf schließen, dass es sich um eine wichtige Persönlichkeit handelte. Rasch überquerte er den Hof und

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