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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und in roten Stiefeln herum und lächelte den Männern mittleren Alters hoffnungsvoll zu; aber zu solch früher Stunde stieß sie noch nicht auf Gegenliebe.
    Aliena beobachtete dies alles von ihrer Bude aus, die eine der größten war. In den vergangenen Wochen hatte sie sämtliche Vliese der Priorei auf Lager genommen – die Wolle, für die sie letzten Sommer einhundertundsiebzig Pfund bezahlt hatte. Auch den Bauern hatte sie, wie üblich, ihre Vliese abgekauft, mehr als sonst sogar, denn William Hamleigh hatte seinen Pächtern verboten, ihre Ware selbst in Kingsbridge zu verkaufen, sodass sie sich alle an die Händler gewandt hatten. Aliena, die in Kingsbridge, wo die Messe stattfand, ansässig war, hatte von allen Händlern die meisten Geschäfte getätigt. Es war so gut gelaufen, dass ihr das Bargeld ausgegangen war und sie sich vierzig Pfund von Malachi hatte borgen müssen. In ihrem Lager, dem hinteren Teil der Messebude, stapelten sich einhundertundsechzig Sack Rohwolle, die Vliese von vierzigtausend Schafen; das hatte sie mehr als zweihundert Pfund gekostet, aber sie würde dreihundert dafür bekommen, genug Geld, um den Lohn eines gelernten Steinmetzen mehr als ein Jahrhundert lang zu bezahlen. Wann immer sie an diese Zahlen dachte, geriet sie in Staunen darüber, welche Größe ihr Geschäft erlangt hatte.
    Mit den Aufkäufern rechnete Aliena erst kurz vor Mittag – nur fünf oder sechs, die sich alle kannten und von denen sie selbst die meisten aus dem Vorjahr kannte. Das Verhandlungsritual verlief immer gleich: Nach der Begrüßung kredenzte Aliena einen Becher Wein, sie setzten sich und plauderten eine Weile über dies und das, dann erst zeigte sie dem Aufkäufer ihre Wolle. Er bat sie, ein, zwei Säcke zu öffnen – niemals einen, der zuoberst lag! –, griff tief hinein und zog eine Handvoll Wolle heraus. Nun prüfte er die Länge, indem er an den Strähnen zupfte, beurteilte, wie weich sie war, indem er sie zwischen Daumen und Zeigefinger rieb, und machte zum Schluss noch eine Geruchsprobe. Dann ging das Feilschen los: Er bot an, den gesamten Lagerbestand zu einem geradezu lächerlich niedrigen Preis aufzukaufen – Aliena lehnte ab und nannte den Preis, den sie sich vorstellte. Darauf schüttelte er den Kopf, und sie setzten sich zu einem weiteren Becher Wein.
    Bei jedem Aufkäufer wiederholte sich das Ritual. Wer sich bis zur Mittagszeit einfand, bekam ein Essen. Danach bot dann einer an, eine große Menge Wolle zu kaufen – zu wenig mehr, als Aliena selbst dafür gezahlt hatte. Sie hielt dagegen, indem sie mit ihrer Forderung ein wenig herunterging. Es wurde früher Nachmittag, bis der erste Kaufabschluss unter Dach und Fach war, der nur einen geringen Gewinn einbrachte, doch die anderen Händler begannen daraufhin, Aliena zu bedrängen, während sie ablehnte, noch mehr Wolle zu einem so niedrigen Preis zu verkaufen. Im Laufe des Nachmittags sollte er dann langsam anziehen, denn stieg er zu rasch, gingen die Geschäfte schleppend, da die Käufer in Gedanken schon überschlugen, wie schnell sie ihre Kontingente woanders auffüllen konnten. Verlangte Aliena einen geringeren Preis, als die Käufer zu zahlen bereit waren, erkannte sie es an der Hast, in der auf ihr Angebot eingegangen wurde. Also tätigte sie ihre Geschäfte wohlüberlegt eins nach dem anderen, bis sich die Knechte daranmachen konnten, die riesigen Wollsäcke auf die großrädrigen Ochsenkarren zu laden, dieweil Aliena Silberpennys und Gulden in Pfundsäcken wog.
    Heute würde sie zweifellos mehr Geld denn je einnehmen: Sie hatte doppelt so viel wie im Vorjahr zu verkaufen, und die Wollpreise waren gestiegen. Sie hatte die Absicht, Philips Produktion wieder ein Jahr im Voraus aufzukaufen, und spielte insgeheim mit dem Gedanken, sich ein Haus aus Stein bauen zu lassen – mit weiträumigen Kellerlagern für die Wolle, einer eleganten und komfortablen Halle und einem hübschen Schlafzimmer ganz für sich allein im Obergeschoss. Ihre Zukunft schien gesichert, und sie war überzeugt, dass sie Richard unterstützen konnte, so lange er ihre Hilfe brauchte. Alles lief hervorragend.
    Um so rätselhafter, dass sie sich so entsetzlich elend fühlte.
    Fast auf den Tag genau vier Jahre waren vergangen, seit Ellen nach Kingsbridge zurückgekehrt war, und für Tom waren es die besten vier Jahre seines Lebens gewesen.
    Der Schmerz über Agnes’ Tod war mit der Zeit dumpfer geworden, und Tom hatte nicht mehr das vertrackte Gefühl, hin und

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