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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Hütte und ein paar Möbel. Das Getreide stand noch auf dem Halm, das Vieh noch auf den Weiden, und die Ersparnisse der Leute befanden sich noch immer dort, wo sie vergraben worden waren – in der Regel unter der Feuerstelle ihres Hauses, wo sie den Brand, der die Stadt verwüstet, unbeschadet überstanden hatten. Die Kaufleute, deren Lager in Flammen aufgegangen waren, hatte es am schlimmsten getroffen; etliche standen, wie Aliena, vor dem blanken Nichts, andere hatten einen Teil ihres Reichtums in Form vergrabenen Silbers gerettet und konnten einen neuen Anfang machen. Jack schlug vor, die Stadt unverzüglich wieder aufzubauen.
    Auf Jacks Vorschlag hin erteilte Philip die auf eine Woche befristete Ausnahmeerlaubnis, in den klösterlichen Wäldern beliebig viel Holz zum Wiederaufbau der Häuser zu schlagen. Daraufhin war Kingsbridge sieben Tage lang wie leer gefegt, dieweil jede Familie die Bäume für ihr neues Haus auswählte und fällte. In diesen Tagen bat Jack Philip darum, einen Plan für die neue Stadt zu entwerfen. Diese Idee endlich erwies sich als zündend und riss Philip aus seiner lähmenden Lethargie.
    Vier Tage lang arbeitete er unermüdlich an seinem Plan. Rings um die Klostermauern sollten die großen Häuser der reichsten Handwerker und Kaufleute stehen. Er besann sich auf das Gittermuster der Straßen in Winchester und entwarf das neue Kingsbridge nach den gleichen praktischen Erwägungen. Gradlinige Straßen, breit genug für zwei einander entgegenkommende Karren, sollten, von schmaleren Nebenstraßen gekreuzt, zum Fluss hinunterführen. Die Breite eines Baugrundstücks setzte er mit vierundzwanzig Fuß an – das bot genügend Raum für großzügige Fassaden. Jedes Grundstück sollte einhundertfünfundzwanzig Fuß tief sein und somit über ausreichend Platz für einen ordentlichen Hinterhof samt Abtritt, Gemüsegarten und Kuh- oder Schweinestall verfügen. Die alte Brücke war abgebrannt, die neue sollte an einem verkehrsgünstigen Platz am unteren Ende der Hauptstraße entstehen. Letztere sollte, dem Beispiel von Lincoln folgend, künftig gleich hinter der Brücke schnurgerade den Berg hinauf, an der Kathedrale vorbei und am anderen Ende der Stadt wieder hinausführen. Eine zweite breite Straße sollte vom Klostertor zu einem neuen Kai am Flussufer verlaufen, der stromabwärts unterhalb der Flussbiegung zu errichten war. Auf diese Weise konnten ganze Schiffsladungen unter Umgehung der Hauptgeschäftsstraße auf direktem Wege zum Kloster befördert werden. Unweit des neuen Kais sollte ein ganz neuer Stadtteil für die kleineren Häuser der Armen entstehen, die auf diese Weise ein ganzes Stück flussabwärts vom Kloster angesiedelt wurden und somit das Trinkwasser für die Mönche nicht mehr verunreinigen konnten.
    Die Planung des Wiederaufbaus der Stadt vermochte Philip zwar aus seiner ohnmächtigen Versunkenheit zu reißen, doch sobald er einmal von seinen Entwürfen aufsah, überfielen ihn erneut Trauer und Zorn. War William Hamleigh in der Tat der Teufel in Menschengestalt? Er hatte mehr Unheil um sich verbreitet, als menschenmöglich schien. Philip las das gleiche Wechselspiel von Hoffnung und Kummer in den Gesichtern der Stadtbewohner, die schwer beladen mit Bauholz aus dem Wald zurückkehrten. Jack hatte mit Hilfe der Mönche den Grundriss der neuen Stadt mit Pfählen und Seilen auf dem Boden markiert, und während die Leute ihre Wahl unter den verschiedenen Grundstücken trafen, konnte man den einen oder anderen düster sagen hören: »Wozu das alles? Wenn’s nächstes Jahr nur doch wieder abbrennt?« Hätte es wenigstens die Aussicht auf Gerechtigkeit, auch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer gegeben, dass die Übeltäter bestraft würden – die Menschen wären vielleicht nicht ganz so untröstlich gewesen. Philip hatte zwar viele Briefe geschrieben – an Stephan und an Mathilde, an Bischof Henry und an den Erzbischof von Canterbury, ja sogar an den Papst –, aber er wusste genau, dass in Kriegszeiten kaum Aussicht bestand, einen so mächtigen und einflussreichen Mann wie William zur Verantwortung zu ziehen.
    Die größeren Grundstücke in Philips Plan waren trotz höherer Mieten sehr gefragt, sodass er seinen Entwurf änderte und noch mehr einzeichnete. Fast niemand wollte in dem ärmeren Viertel bauen, dennoch entschied Philip, es bei seinem ursprünglichen Plan zu belassen, um Raum für künftige Entwicklungen zu haben. Innerhalb von zehn Tagen nach dem Feuer wurden auf den

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