Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
gereist.
William hatte nicht so viel Glück gehabt – daher seine Erbitterung. Obwohl er jeden Seitenwechsel Walerans mitvollzogen und beide kriegführenden Parteien mit stattlichen Armeen versorgt hatte, wartete er immer noch auf die Bestätigung seines Grafentitels. Als sich eine Zeit lang auf den Schlachtfeldern nichts tat, hatte er über seine Lage nachgedacht und war darob so wütend geworden, dass er beschloss, umgehend zu Waleran zu reiten und den Bischof zu stellen.
Mit Walter und den anderen Rittern im Gefolge stapfte er die Treppe zum Empfangssaal hinauf. Der Haushofmeister, der gerade Wachdienst hatte, trug Waffen – ein weiteres Zeichen der Zeit. Bischof Waleran saß wie immer auf einem großen Stuhl in der Mitte des Saales, die knochigen Arme und Beine in merkwürdigem Winkel abgespreizt, als habe man ihn dort fallen lassen und nicht wieder richtig zusammengesetzt. Neben ihm stand Baldwin, inzwischen Erzdiakon, und wartete offenbar auf Anweisungen. Waleran selbst starrte, offenbar tief in Gedanken versunken, ins Feuer, doch als William näher trat, fuhr er ruckartig hoch und sah ihn an.
Während er Waleran begrüßte und Platz nahm, fühlte William jenen Widerwillen in sich aufsteigen, der ihn jedes Mal ergriff, wenn er es mit diesem Mann zu tun hatte. Walerans weiche, schmale Hände, sein dünnes schwarzes Haar, die leichenblasse Haut und die bleichen, bösartigen Augen jagten ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Waleran vereinigte in sich alle Eigenschaften, die William zutiefst verhasst waren: Gerissenheit, körperliche Schwäche, Hochmut und Klugheit.
Waleran, das wusste William, erging es in seiner Gegenwart nicht viel anders. Nie gelang es dem Bischof völlig, das Unbehagen zu verbergen, das ihn überfiel, wenn William den Saal betrat. Er setzte sich kerzengerade auf und verschränkte die Arme, seine Lippen kräuselten sich ein wenig, und er runzelte leicht die Stirn – man hätte meinen können, er leide an Magendrücken.
Eine Weile lang sprachen sie über den Krieg. Es war eine steife, schwerfällige Unterhaltung. William war daher heilfroh, als ein Bote eintrat und sie unterbrach. Der Mann überreichte Waleran eine mit Wachs versiegelte Pergamentrolle. Der Bischof schickte ihn in die Küche, wo er sich zu essen geben lassen sollte. Den Brief öffnete er nicht.
William ergriff die Gelegenheit beim Schopf und wechselte das Thema. »Ich bin eigentlich nicht gekommen, um mich mit Euch über die letzten Neuigkeiten von den Schlachtfeldern zu unterhalten«, sagte er. »Ich kam vielmehr, um Euch zu sagen, dass meine Geduld zu Ende ist.«
Waleran hob die Brauen, sagte aber nichts. Auf Themen, die ihm nicht behagten, reagierte er stets mit Schweigen.
William redete sich in Fahrt. »Seit dem Tode meines Vaters sind nun schon fast drei Jahre vergangen, doch König Stephan hat mich noch immer nicht als Graf von Shiring bestätigt. Ich finde das empörend.«
»Ich stimme Euch aus vollem Herzen zu«, erwiderte Waleran müde. Er spielte mit seinem Brief, untersuchte das Siegel, zupfte an der Verschnürung.
»Das freut mich«, sagte William, »denn Ihr werdet dieserhalb etwas unternehmen müssen.«
»Mein teurer William, ich kann Euch nicht zum Grafen machen.«
Mit dieser Antwort hatte William von vornherein gerechnet. Er war entschlossen, sich nicht damit abspeisen zu lassen. »Der Bruder des Königs hört auf Euch«, sagte er.
»Und was soll ich ihm sagen? Dass William Hamleigh dem König gute Dienste geleistet hat? Wenn es stimmt, so weiß es der König bereits – und wenn es nicht stimmt, weiß er es auch.«
William war Walerans Logik nicht gewachsen, folglich ging er auf die Argumente gar nicht erst ein. »Ihr seid es mir schuldig, Waleran Bigod.«
Waleran gab sich ungeduldig und wies mit der Pergamentrolle auf ihn. »Ich schulde Euch gar nichts. Selbst wenn Ihr hin und wieder meine Wünsche erfüllt habt, so behieltet Ihr doch stets Eure eigenen Ziele im Auge. Dankbarkeit schulden wir einander gewiss nicht.«
»Ich bin nicht mehr bereit, noch länger zu warten, so viel lasst Euch gesagt sein.«
»Was habt Ihr denn vor?«, fragte Waleran mit leiser Verachtung in der Stimme.
»Zunächst werde ich Bischof Henry einmal persönlich aufsuchen.«
»Und?«
»Ich werde ihm sagen, dass Ihr Euch meinen Wünschen verschließt und dass ich infolgedessen ins Lager der Kaiserin Mathilde überwechseln werde.« William stellte mit Befriedigung fest, dass Walerans Miene sich veränderte: Er
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