Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
geändert, dachte sie beklommen.
    Wie alle anderen Reisenden suchte auch Aliena die Kirche des heiligen Martin auf. Das Bauwerk wurde gerade umfassend renoviert. Aliena fragte sich zum Baumeister durch und wurde an einen kleinen, übellaunigen Mann mit schütterem Haar verwiesen. Sie fragte ihn, ob er vor ungefähr einem Jahr einen Engländer beschäftigt habe.
    »Ich beschäftige niemals Engländer«, sagte er, ohne sie aussprechen zu lassen. »Englische Maurer und Steinmetzen taugen nichts.«
    »Der, den ich meine, taugt sehr viel«, erwiderte Aliena. »Außerdem spricht er so gut Französisch, dass Ihr vielleicht gar nicht gemerkt habt, dass er Engländer ist. Er hat rote Haare …«
    »Nie gesehen«, unterbrach sie der Baumeister rüde und wandte sich ab.
    Niedergeschlagen kehrte Aliena in ihr Quartier zurück. Ohne jeden Anlass hatte der Mann ihr eine regelrechte Abfuhr erteilt. Solche Erlebnisse stimmten einen nicht gerade zuversichtlich.
    In der Nacht litt sie unter einer Magenverstimmung und tat kein Auge zu. Am nächsten Morgen fühlte sie sich so schlecht, dass sie sich nicht aus dem Haus wagte. Sie verbrachte den ganzen Tag im Bett. Durchs Fenster drang der Gestank vom Fluss, und über die Stiege krochen die üblen Gerüche aus der Taverne, ein widerwärtiger Dunst nach übergeschwapptem Wein und ranzigem Fett. Tags darauf war das Kind krank.
    Sein Gewimmer weckte sie auf, ein armseliges, schwaches Klagen, das ganz und gar nichts zu tun hatte mit dem kräftigen, fordernden Gebrüll, das sie von ihm gewohnt war. Der Kleine hatte die gleiche Magenverstimmung wie sie, aber anders als seine Mutter fieberte er auch noch. Seine sonst so hellwachen Äuglein waren geschlossen, die Händchen zu Fäusten geballt. Die Haut war fleckig gerötet.
    Aliena wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte – er war ja noch nie krank gewesen.
    Sie gab ihm die Brust. Der Kleine saugte begierig, jammerte und saugte wieder. Die Milch schien einfach durch ihn hindurchzurinnen.
    In der Taverne arbeitete ein nettes junges Zimmermädchen. Aliena bat sie, zum Kloster zu laufen und geweihtes Wasser zu holen. Anfangs hatte sie auch erwogen, einen Arzt holen zu lassen, den Gedanken aber schnell wieder verworfen. Ärzte hatten die Angewohnheit, alle Leute zur Ader zu lassen, und sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass eine solche Kur dem Säugling zuträglich wäre.
    Das Zimmermädchen kehrte in Begleitung ihrer Mutter zurück. Die Frau verbrannte ein Büschel getrockneter Kräuter in einer Eisenschüssel. Es entwickelte sich ein beißender Rauch, der die üblen Gerüche im Zimmer aufzusaugen schien. »Das Kind wird viel Durst haben«, sagte sie. »Gebt ihm die Brust, sooft es danach begehrt. Und trinkt auch selbst viel, damit Ihr immer genug Milch habt. Mehr könnt Ihr nicht tun.«
    »Wird er wieder gesund werden?«, fragte Aliena beunruhigt.
    Die Frau sah sie voller Mitgefühl an. »Das kann ich Euch leider nicht versprechen, meine Liebe. Bei so Kleinen lässt es sich nicht vorhersagen. Normalerweise überleben sie solche Sachen – aber manchmal eben auch nicht. Ist es Euer erstes?«
    »Ja.«
    »Dann denkt dran: Es muss ja nicht das einzige bleiben.«
    Aber es ist doch Jacks Sohn, dachte Aliena, und ich habe doch schon Jack verloren. Sie behielt ihre Gedanken jedoch für sich, dankte der Frau und bezahlte die Kräuter.
    Als sie wieder allein waren, verdünnte sie das geweihte Wasser mit gewöhnlichem, tränkte ein Tuch darin und kühlte damit dem Kind den Kopf.
    Im weiteren Verlauf des Tages schien sich der Zustand des Säuglings zu verschlechtern. Aliena stillte ihn, wenn er weinte, sang ihm etwas vor, wenn er wach lag, und kühlte ihn mit heiligem Wasser, wenn er schlief. Er suchte immer wieder ihre Brust, hatte jedoch wenig Ausdauer beim Saugen. Aliena war froh, dass sie so viel Milch hatte. Sie war selbst noch nicht gesund und ernährte sich nur mit trockenem Brot und verdünntem Wein. Das enge Zimmer mit den fliegendreckverschmutzten Wänden, der schief in den Angeln hängenden Tür, dem armselig kleinen Fenster und den groben Dielenbrettern wurde ihr mit jeder weiteren Stunde, die sie dort verbrachte, mehr verhasst. Genau vier Möbelstücke befanden sich in dem Raum: ein wackeliges Bett, ein dreibeiniger Hocker, ein Kleiderständer und ein auf dem Boden stehender Leuchter mit drei Armen, aber nur einer Kerze.
    Als es dunkel wurde, kam das Zimmermädchen herein und zündete die Kerze an. Das Kind lag auf dem Bett,

Weitere Kostenlose Bücher