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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mädchens füllten sich mit Tränen. »Ich wollte ihn selber haben. Und ich hätte ihn beinahe bekommen.« Sie sah das Kind an. »Rote Haare und blaue Augen.« Tränen rannen über ihre glatten, gebräunten Wangen.
    Aliena starrte sie an. Das also war die Erklärung für den frostigen Empfang! Die Mutter hätte Jack gerne zum Schwiegersohn gehabt! Das Mädchen konnte kaum älter als sechzehn sein, wirkte aufgrund ihrer frühreifen Sinnlichkeit jedoch älter. Aliena fragte sich, was zwischen den beiden vorgegangen war. »Ihr hättet ihn beinahe bekommen, sagt Ihr?«
    »Ja«, kam die trotzige Antwort. »Ich wusste, dass er mich mochte. Als er fortging, hat es mir das Herz gebrochen. Aber jetzt ist mir alles klar.« Nun verlor sie doch die Fassung, und ihr Gesicht verzog sich kummervoll.
    Mit einer Frau, die Jack geliebt und doch verloren hatte, konnte Aliena nur Mitgefühl empfinden. Unwillkürlich legte sie dem Mädchen die Hand auf die Schulter, als wolle sie es trösten. Doch dann fiel ihr ein, dass es Wichtigeres gab als Mitleid. »Hört!«, sagte sie in drängendem Tonfall. »Wisst Ihr vielleicht, wohin er gezogen ist?«
    Das Mädchen sah auf und nickte schluchzend.
    »Sagt es mir!«
    »Nach Paris«, kam die Antwort.
    Nach Paris!
    Aliena hätte jubeln können. Sie war wieder auf der richtigen Fährte! Paris war zwar weit weg, aber ein Gutteil des Weges war ihr schon vertraut. Und Jack war ihr nur einen Monat voraus! Sie fühlte sich geradezu verjüngt. Ich finde ihn doch noch, dachte sie, ich weiß es ganz genau!
    »Werdet Ihr jetzt nach Paris ziehen?«, fragte das Mädchen.
    »O ja!«, erklärte Aliena. »Ich bin ihm nun schon so weit nachgereist – jetzt gebe ich nicht mehr auf. Ich danke Euch, dass Ihr es mir gesagt habt – ich danke Euch vielmals!«
    »Ich möchte, dass er glücklich wird«, war die einfache Antwort.
    Der Diener trat missmutig von einem Fuß auf den anderen. Er zog ein Gesicht, als befürchte er, dieses Zwischenspiel könne ihn seine Stellung kosten. Aliena fragte das Mädchen: »Hat Jack noch irgendetwas gesagt? Welche Route er einschlagen wollte – oder irgendetwas anderes, das mir weiterhelfen könnte?«
    »Er wollte nach Paris, weil ihm jemand erzählt hat, dort würden wunderschöne Kirchen gebaut.«
    Aliena nickte. Das war nichts Neues für sie.
    »Und er hat die weinende Frau mitgenommen.«
    »Die weinende Frau?« Aliena wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    »Mein Vater hat ihm die weinende Frau geschenkt.«
    »Tatsächlich eine Frau?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht die richtigen Worte dafür. Eine Frau. Sie weint. Mit den Augen.«
    »Ihr meint ein Bild? Eine gemalte Frau?«
    »Das verstehe ich nicht.« Das Mädchen blickte sich jetzt ängstlich um. »Ich muss gehen.«
    Wer oder was die weinende Frau auch sein mochte – die Geschichte klang nicht, als sei sie von besonderer Bedeutung. »Ich danke Euch vielmals für Eure Hilfe«, sagte Aliena.
    Das Mädchen beugte sich vor und küsste Alienas Kind auf die Stirn. Ihre Tränen netzten seine runden Pausbäckchen. Dann blickte sie Aliena in die Augen. »Ich wünschte, ich wäre Ihr«, sagte sie, drehte sich um und lief ins Haus zurück.
    Jacks Unterkunft lag in der Rue de la Boucherie in einem Vorort von Paris, am linken Ufer der Seine. Bei Tagesanbruch sattelte er sein Pferd, wandte sich am Ende der Straße nach rechts und passierte das Brückentor zum Petit Pont, der auf die Ile de la Cité führte.
    Die Holzhäuser zu beiden Seiten ragten weit über den Rand der Brücke hinaus. Zwischen den Häusern standen Steinbänke, an denen am späteren Vormittag berühmte Lehrer ihren Unterricht im Freien erteilen würden.
    Die Brücke führte Jack direkt zur Juiverie, der Hauptstraße der Insel, deren zahlreiche Bäckereien bereits voller Studenten waren. Sie besorgten sich dort ihr Frühstück. Jack erstand eine mit gekochtem Aal gefüllte Pastete.
    Gegenüber der Synagoge wandte er sich nach links, am Königspalast wieder nach rechts und überquerte schließlich den Grand Pont, der zum rechten Seine-Ufer führte. Die Goldschmiede und Geldwechsler auf der Brücke öffneten gerade ihre hübsch gebauten Lädchen. Jack passierte ein weiteres Brückenhaus und kam zum Fischmarkt, auf dem es schon überaus geschäftig zuging. Er drängte sich durch die Menge und fand die schlammige Straße, die nach dem Städtchen Saint-Denis führte.
    Von einem Maurergesellen auf der Walz hatte Jack in Spanien erfahren, dass Abt

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