Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Tagesritt von Kingsbridge entfernt, aber er glaubte nicht, dass William die Strecke an einem Tag zurückzulegen gedachte, denn sonst wäre sein Heer schon bei der Ankunft erschöpft. Sie werden sich bei Sonnenaufgang auf den Weg machen, überlegte Jack, und zwar in mehreren Gruppen und mit verdeckten Waffen, damit sie keinen Verdacht erregen. Am Nachmittag treffen sie dann ein, zwei Stunden von Kingsbridge entfernt, vermutlich auf dem Gut eines der Pächter Williams. Am Abend schärfen sie ihre Waffen, lassen sich mit Bier volllaufen und überbieten sich gegenseitig mit Gruselgeschichten von früheren Feldzügen. Angreifen werden sie erst am Morgen darauf … Jack schauderte bei diesem Gedanken. Aber diesmal sind wir gut vorbereitet, dachte er. Diesmal werden wir sie Mores lehren! Dennoch ließ sich seine Furcht nicht beschwichtigen.
Die Mönche sorgten dafür, dass sie die Lage des Bauabschnittes, für den sie jeweils verantwortlich waren, genauestens kannten. Im ersten Dämmerlicht, das am östlichen Horizont sichtbar wurde, weckten sie die Stadtbewohner auf.
Als die Sonne aufging, war die Arbeit schon in vollem Gang. Die jungen Männer und Frauen taten die Schwerarbeit, während die Älteren für Essen und Trinken sorgten und die Kinder auf Botengänge schickten. Jack führte die Oberaufsicht und schien überall gleichzeitig zu sein. Einem Mörtelmischer gebot er, weniger Kalk zu verwenden, damit der Mörtel schneller trocknete. Einem Zimmermann empfahl er, statt des verwendeten Gerüstholzes zugeschnittenes Bauholz von einem anderen Stapel bringen zu lassen. Er vergewisserte sich, dass die einzelnen Abschnitte der Steinmauer sauber ineinandergefügt wurden. Und ununterbrochen witzelte und lächelte er und sprach allen Mut zu.
Die Sonne stieg höher, und es wurde ein heißer Tag. Die Klosterküche fuhr ganze Fässer Bier auf, das jedoch auf Philips Geheiß – und mit Jacks Zustimmung – verdünnt wurde, denn sie wollten vermeiden, dass die Leute bei der Arbeit einschliefen.
Trotz der drohenden Gefahr herrschte überall beste Laune, wie an einem Heiligentag, wenn die ganze Stadt gemeinsam etwas unternahm. Dennoch sah Philip einige, die sich verstohlen davonmachten; vielleicht versteckten sie sich im Wald oder suchten bei Verwandten in den umliegenden Dörfern Zuflucht. Aber das waren nur wenige, alle anderen arbeiteten fleißig mit.
Zu Mittag ließ Philip die Glocke läuten und Pause machen, während er mit Jack die Bauarbeiten inspizierte. Allem Fleiß zum Trotz schienen sie noch nicht weit gekommen zu sein – die Steinmauern reichten kaum über den Grund, die Erdwälle waren nicht höher als Maulwurfshügel, und in den Palisaden klafften noch große Lücken.
»Glaubt Ihr, wir werden rechtzeitig fertig?«, fragte Philip am Ende ihrer Tour.
Jack, der den ganzen Vormittag über nur Zuversicht ausgestrahlt hatte, zwang sich nun zu einer realistischen Einschätzung. »Bei diesem Tempo nicht«, sagte er verzagt.
»Wie können wir es beschleunigen?«
»Schneller bauen heißt im Allgemeinen schlechter bauen.«
»Dann bauen wir eben schlechter – wie geht das?«
Jack überlegte. »Derzeit tun alle das, was sie am besten können. Aber Zimmerleute können auch ein bisschen mauern, und Tagelöhner können auch allein eine Palisade errichten. Wenn die Zimmerleute also den Maurern zur Hand gehen und die Palisaden den Tagelöhnern überlassen, können die Bürger Gräben ausheben und Wälle aufschütten. Und sobald alles läuft, können die jüngeren Mönche bei der Arbeit helfen.«
»So sei es«, sagte Philip und gab die neue Order am Ende der Mittagspause aus.
Das wird die schlechtest gebaute Mauer von ganz England, dachte Jack. Die steht bestimmt nicht lange. Wenn sie im Laufe der nächsten Woche nicht zusammenfällt, dann grenzt das schon an ein Wunder …
Im Laufe des Nachmittags wurden die Leute müde, vor allem jene, die in der Nacht aufgeblieben waren. Die Feiertagslaune verpuffte, und es wurde wild entschlossen geschuftet. Die Steinmauer wuchs, die Gräben wurden tiefer, die Lücken im Zaun schlossen sich. Zum Abendessen, als die Sonne sich im Westen senkte, gab es eine neue Pause, danach ging es weiter.
Als die Nacht kam, war die Mauer immer noch nicht fertig.
Philip teilte Wachen ein, schickte alle anderen zu Bett und kündigte an, sie um Mitternacht zu wecken.
Jack ging zu Alienas Haus, wo sie ihn mit Richard erwartete.
»Nimm Tommy, und versteck dich mit ihm im Wald«, sagte er zu
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