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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bereits mit Wasser gefüllte Fässer und Eimer, die an den empfindlichsten Punkten hinter der Mauer bereitgestellt wurden.
    Jack wollte soeben das Kloster wieder verlassen – da ertönten die ersten Warnrufe.
    Mit klopfendem Herzen sprang er aufs Stalldach und suchte mit den Augen die Felder im Westen ab. Auf der Straße, die zur Brücke führte, verriet eine Staubwolke die sich nähernden Berittenen – nicht weiter entfernt als eine Meile. Die Gefahr war nur allzu nahe!
    Zeit, Aliena aufzusuchen, blieb ihm nicht. Jack sprang vom Dach und rannte den Hügel hinunter zum Fluss. Die Männer drängten sich um die letzte Lücke in der Palisade, hieben Pflöcke in die Erde, nagelten eiligst Verstrebungen dahinter und hatten im Nu den Zaun vollendet. Da kam auch schon Richard angelaufen und schrie: »Auf der anderen Seite ist niemand! Wenn sie einen Trupp von dort einfallen lassen, ist es zu spät! Los, alles auf die Posten!« Und als sich die Leute in Bewegung setzten, murmelte er Jack zu: »Keine Disziplin – sie haben keine Disziplin!«
    Jack gab keine Antwort. Die Reiter waren nun deutlicher zu sehen. Wie Gesandte der Hölle, dachte er, nichts als Tod und Verderben im Sinn! Und das nur, weil Grafen und Könige meinen, sie seien ihnen nütze. So unwissend Philip auch in Liebes- und Ehedingen sein mag – zumindest weiß er, wie man eine Gemeinde regiert, ohne solche Barbarenhorden zu Hilfe zu rufen.
    Ein seltsamer Gedanke, ausgerechnet in diesem Moment. Dachten so Menschen, die bald sterben mussten?
    Es waren mehr als die fünfzig Reiter, mit denen Richard gerechnet hatte – eher hundert, schätzte Jack. Sie setzten auf die Brücke zu, die nicht mehr vorhanden war, dann nahmen sie ihre Pferde beim Zügel. In wirren Haufen sammelten sie sich auf der Wiese jenseits des Flusses, und Jack atmete auf. Als sie die nagelneue Stadtmauer anglotzten, lachte irgendwer auf. Ein anderer stimmte in das Lachen ein, ein dritter, ein vierter – und schon brüllten hundert, zweihundert Leute vor Lachen über die dummen Gesichter der Bewaffneten.
    Die Reiter schlossen sich zum Kreis, einige stiegen ab. Jack meinte, Williams strohfarbenes Haar und rotes Gesicht inmitten des Haufens zu erkennen, doch sicher war er sich dessen nicht.
    Schließlich sahen sie wieder auf, formierten sich neu und ritten davon. Die Stadtbewohner johlten ihnen befreit hinterher – doch Jack mochte nicht glauben, dass William klein beigab. Der ritt bestimmt nicht mit seiner Truppe nach Hause! Wahrscheinlich sammelten sie sich am Oberlauf des Flusses und beratschlagten sich. Richard, der eben kam, bestätigte Jacks Verdacht: »Sie suchen eine Furt. Dann kommen sie über den Fluss und durch die Wälder. Sag’s den anderen!«
    Jack machte sich auf seinen Botengang. Im Nordosten erstieg er den Erdwall. Von dort aus überblickte er die Felder bis hin zu dem Wald, aus dem William mit seinen Mannen auftauchen würde.
    Die Sonne stieg höher. Der Tag war so wolkenlos wie der vergangene. Die Mönche brachten Brot und Bier, und Jack fragte sich, bis wohin sich William wohl zurückzuziehen gedachte. Eine Meile flussaufwärts gab es eine seichte Stelle, die ein gutes Pferd durchschwimmen konnte – doch die war vermutlich zu gefährlich für Ortsfremde. William würde vermutlich die Furt noch weiter stromabwärts durchqueren.
    Wie es Aliena wohl ging? Jack wäre am liebsten ins Refektorium gegangen, um nach ihr zu sehen – aber wenn er jetzt seinen Platz verließ, gäbe er den anderen ein schlechtes Beispiel.
    Da ertönte ein Schrei, und die Berittenen tauchten wieder auf.
    Sie kamen aus dem östlich gelegenen Wald, sodass Jack, der ihnen entgegensah, die Sonne direkt in die Augen schien – was sie zweifellos einkalkuliert hatten. Dann erkannte er, dass sie in wildem Galopp angeprescht kamen – sie wollten also die Mauer im Sturmangriff überrennen.
    Ein oder zwei Stadtbewohner schossen Pfeile ab. Richard, unweit Jacks postiert, brüllte sie an: »Aufhören! Das ist zu früh! Wartet, bis sie im Graben sind, dann könnt Ihr sie nicht mehr verfehlen!« Aber nur wenige hörten ihn, und ein Schauer sinnlos vergeudeter Pfeile ging auf das Gerstenfeld nieder. Wir sind ein hoffnungsloses Heer, dachte Jack; die Mauer ist unsere einzige Hoffnung.
    In einer Hand hielt er einen Stein, in der anderen eine Schleuder, so wie in seiner Kindheit, wenn er auf Entenjagd ging. Ob er überhaupt noch treffen konnte? Seine Finger hatten sich um die Waffe verkrampft, und er zwang

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