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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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in einer Waldhöhle, weil sie als Hexe galt.
    Von Zeit zu Zeit überkam Jack die kalte Wut darüber, dass er Aliena nicht heiraten durfte. Dann lag er hellwach im Bett, hörte Martha im Nebenzimmer schnarchen und dachte: Jetzt bin ich schon achtundzwanzig – warum muss ich immer noch alleine schlafen? Tags darauf ließ er dann seine schlechte Laune an Prior Philip aus, verwarf jeden Vorschlag und jede Forderung des Kapitels als undurchführbar oder zu teuer, weigerte sich, über Gegenvorschläge auch nur zu diskutieren, und ging keinerlei Kompromisse ein. In solchen Fällen pflegte Philip ihm einige Tage lang aus dem Wege zu gehen und zu warten, bis der Sturm sich gelegt hatte.
    Aliena war über ihre Lebensumstände nicht minder unglücklich, und sie ließ ihre Unzufriedenheit an Jack aus. Da hatte sie dann an allem, was er tat, etwas auszusetzen, brachte die Kinder zu Bett, sobald er das Haus betrat, und weigerte sich mit der Behauptung, sie habe keinen Hunger, mit ihm zu essen. Nach ein oder zwei Tagen brach sie dann jedes Mal in Tränen aus, entschuldigte sich, versprach, von nun an wieder lieb zu sein – bis zum nächsten Mal, wenn die Belastung wieder zu stark wurde.
    Jack schöpfte sich Schmorfleisch in eine Schüssel und begann zu essen. »Rate mal, wer heute Vormittag bei mir aufgekreuzt ist«, sagte er. »Der liebe Alfred.«
    Martha fiel ein gusseiserner Topfdeckel aus der Hand und polterte mit Getöse auf den Herdstein. Aliena erbleichte.
    »Was will er in Kingsbridge?«, fragte sie.
    »Er sucht Arbeit. Die Kaufleute in Shiring bekommen die Hungersnot zu spüren und können sich keine schönen neuen Steinhäuser mehr leisten. Alfred hat seine Leute entlassen und findet selbst keine Arbeit.«
    »Hoffentlich hast du ihn zum Teufel gejagt«, gab Aliena zurück.
    »Er hat an mein Gewissen appelliert«, gestand Jack voller Beunruhigung. »Um Toms willen sollte ich ihm Arbeit geben.« Eine solch entschiedene Ablehnung seitens der beiden Frauen hatte er nicht vorausgesehen. »Und Tom bin ich immerhin einiges schuldig.«
    »Kuhscheiße!«, sagte Aliena bloß, und Jack dachte: Den Ausdruck muss sie von meiner Mutter haben.
    »Wie dem auch sei, ich habe ihn jedenfalls eingestellt«, gab er zu.
    »Jack!«, schrie Aliena auf. »Wie konntest du?! Diesen – diesen Teufel darfst du doch nicht mehr nach Kingsbridge lassen!«
    Sally brach in Tränen aus, und Tommy starrte seine Mutter aus großen Augen an. Jack sagte: »Alfred ist kein Teufel. Er ist am Verhungern und hat keinen roten Heller mehr in der Tasche …«
    »Wenn er dich dazu gezwungen hätte, neun Monate lang wie ein Hund auf dem Fußboden vor seinem Bett zu schlafen, täte er dir auch nicht mehr leid!«
    »Mir hat er Schlimmeres angetan – frag Martha.«
    »Mir auch«, bestätigte Martha.
    »Der armselige Zustand, in dem er sich jetzt befindet, war mir Vergeltung genug«, sagte Jack.
    »Wie schön für dich! Mir reicht das nicht!«, tobte Aliena. »Herrgott im Himmel, was bist du für ein verbohrter Dummkopf, Jack Jackson! Es gibt Zeiten, da danke ich meinem Schöpfer dafür, dass ich nicht mit dir verheiratet bin!«
    Das tat weh. Jack wandte den Blick ab. Er wusste genau, dass sie es nicht so meinte, aber es war schlimm genug, dass sie es aussprach. Er nahm seinen Löffel wieder auf und begann zu essen. Das Schlucken fiel ihm schwer.
    Aliena tätschelte Sallys Hand und steckte ihr ein Stück Karotte in den Mund. Die Tränen des Mädchens versiegten.
    Tommy starrte noch immer mit erschrockener Miene seine Mutter an. »Iss, Junge«, sagte Jack. »Es schmeckt gut.«
    Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend.
    Im selben Frühjahr, da der Bau des Querschiffs vollendet wurde, unternahm Prior Philip eine Inspektionsreise zu den im Süden gelegenen Klostergütern. Nach drei schlechten Jahren war endlich wieder eine gute Ernte fällig, zudem wollte er sich über den Zustand der Güter in Kenntnis setzen.
    Auf seiner Rundreise begleitete ihn Jonathan. Das Klostermündel war mittlerweile zu einem großen, linkischen und dabei sehr gescheiten Sechzehnjährigen herangewachsen. Wie Philip einst in diesem Alter, wusste er schon genau, was er mit seinem Leben anfangen wollte: Er hatte das Noviziat hinter sich gebracht und seine Gelübde abgelegt. Jetzt war er Bruder Jonathan. Und ebenso wie Philip war ihm hauptsächlich an den sachlichen Dingen gelegen, die der Dienst an Gott mit sich brachte. Er arbeitete als Stellvertreter von Cellerar Cuthbert Whitehead, der immer

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