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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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einfachen Überlegung, dass die Leute, wenn er sie dem blanken Nichts überließ, nur wieder im Kloster um Almosen bitten würden. Andere Gutsherren jedoch, vor allem Graf William, nutzten die schweren Zeiten aus. Sie warfen ihre Pächter hinaus und rissen die Höfe wieder an sich. Ergebnis war, dass die Zahl derer, die sich in die Wälder flüchteten und dort vom Raub lebten, bedrohlich anstieg – und dass Philip ohne Leibwächter nicht mehr auf Reisen gehen konnte.
    »Was ist aus deiner Familie geworden?«, fragte er den Mann.
    »Meine Frau ist mit dem Kleinen wieder zu ihrer Mutter gezogen. Aber für mich ist dort kein Platz.«
    Es war immer wieder dieselbe Geschichte. »Es ist eine Sünde, Hand an einen Mönch zu legen, David«, sagte Philip, »und es ist nicht recht, vom Diebstahl zu leben.«
    »Aber wovon soll ich denn leben?«, rief der Mann.
    »Wenn du im Wald bleiben willst, solltest du dir wilde Vögel und Fische fangen.«
    »Aber ich weiß doch nicht, wie man das macht!«
    »Als Räuber bist du jedenfalls ein Versager«, stellte Philip fest. »Überleg mal, wie gering deine Erfolgsaussicht war – du allein und ohne Waffe gegen uns drei, darunter einer, der bis an die Zähne bewaffnet ist!«
    »Ich war völlig verzweifelt.«
    »Lassen wir’s dabei bewenden. Aber wenn du wieder einmal völlig verzweifelt bist, dann geh zum nächsten Kloster. Dort gibt es allemal etwas zu essen für einen Armen, der um Hilfe bittet.« Philip erhob sich, im Mund den schalen Geschmack der Scheinheiligkeit. Er wusste nur zu gut, dass die Klöster gar nicht imstande waren, alle Outlaws durchzufüttern. Den meisten dieser armseligen Geschöpfe blieb gar nichts anderes übrig als zu stehlen. Andererseits war es für ihn als Mönch und Prior eines Klosters Pflicht, die Leute auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.
    Für diesen Unglücklichen konnte er nichts weiter tun. Er ließ sich von Richard die Zügel seines Pferdes geben und saß auf. Alles tat ihm weh; er wusste, dass er noch tagelang unter den Nachwirkungen des Sturzes zu leiden haben würde. Mit einem Zitat des Herrn Jesus schickte er David fort: »Gehe hin in Frieden, und sündige fortan nicht mehr.« Dann trat er seinem Pferd in die Flanken und ritt davon.
    »Ihr seid viel zu gut, wirklich«, bemerkte Richard, als sie wieder unter sich waren.
    Philip schüttelte betrübt den Kopf. »Die traurige Wahrheit ist, dass ich nicht gut genug bin«, sagte er.
    Am Sonntag vor Pfingsten heiratete William Hamleigh.
    Dahinter stand, wie anders kaum zu erwarten, seine Mutter.
    Jahrelang hatte sie ihm in den Ohren gelegen, er solle sich eine Frau suchen und einen Erben zeugen, doch er hatte es immer wieder hinausgeschoben. Frauen langweilten ihn einfach, und außerdem schüchterten sie ihn ein – auf eine Art und Weise, die er nicht so recht verstand und über die er auch nicht weiter nachdenken wollte. Also vertröstete er Mutter wieder und wieder mit der Bemerkung, er werde demnächst schon heiraten, tat aber nichts, um dieses Versprechen in die Tat umzusetzen.
    Schließlich hatte sie ihm selber eine Braut ausgesucht.
    Sie hieß Elisabeth und war die Tochter Harolds von Weymouth, eines reichen Ritters und bewährten Parteigängers von König Stephan. Regan Hamleigh hatte William zwar ausführlich dargelegt, dass er mit wenig mehr Mühe eine viel bessere Ehe hätte schließen können – etwa mit der Tochter eines Grafen –, doch da er sich darum nicht gekümmert habe, müsse er sich eben mit Elisabeth zufriedengeben.
    William hatte sie zum ersten Mal am königlichen Hof zu Winchester gesehen, und Mutter war aufgefallen, wie er das Mädchen anstarrte. Es hatte ein hübsches Gesicht, eine Fülle hellbrauner Locken, große Brüste und schmale Hüften – und damit alles, worauf William Wert legte.
    Sie war vierzehn Jahre alt.
    William war, als er sie damals fast mit den Augen verschlungen hatte, von ganz anderen Gedanken besessen gewesen. Er hatte sich vorgestellt, ihr in dunkler Nacht in einer einsamen Gasse von Winchester zu begegnen und sie mit Gewalt zu nehmen. Nie wäre ihm so etwas wie Heirat in den Sinn gekommen. Doch Mutter hatte die Sache in die Hände genommen und rasch festgestellt, dass der Vater des Mädchens ein annehmbarer Mann und das Mädchen selbst ein gehorsames Kind war. Nachdem sie William dann glaubhaft versichert hatte, es werde unter keinen Umständen zu einer Wiederholung jener Demütigung kommen, die Aliena der Familie zugefügt hatte, war von ihr

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