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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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England.«
    »Warum hat Henry dich nach England geschickt?«, fragte Philip. Ihm war auf einmal ein Verdacht gekommen.
    »Ich soll die Lage im Lande studieren.«
    »Und was hast du für einen Eindruck?«
    »Es ist ein Land der Hungernden und Gesetzlosen, sturmgepeitscht und vom Krieg verwüstet.«
    Philip nickte nachdenklich. Der junge Henry war Herzog der Normandie, weil er der älteste Sohn Mathildes war. Mathilde war die einzige legitime Tochter des alten Henry, der sowohl Herzog der Normandie als auch König von England war.
    Diese Abstammung rechtfertigte auch einen Anspruch auf den englischen Thron.
    Schon seine Mutter hatte den Anspruch erhoben, doch da sie eine Frau war und ihr Mann aus dem Hause Anjou stammte, hatte man ihr den Thron verwehrt. Der junge Henry war nicht nur ein Mann, sondern konnte sich auch zugute halten, dass in seinen Adern sowohl normannisches als auch angevinisches Blut floss.
    »Will Henry versuchen, den Thron von England zu erobern?«, fragte Philip.
    »Das hängt von meinem Bericht ab«, erwiderte Francis.
    »Und was wirst du ihm sagen?«
    »Dass die Zeit nie wieder so günstig sein wird wie jetzt.«
    »Der Herr sei gepriesen«, sagte Philip.
    +++
    Unterwegs zur Burg von Bischof Waleran machte Graf William Station an der Mühle von Cowford, die zu seinem Besitz gehörte. Der Müller, ein mürrischer Mann in mittleren Jahren, der auf den Namen Wulfric hörte, verfügte über das Privileg, das Getreide aus elf umliegenden Dörfern mahlen zu dürfen. Zwei von zwanzig Säcken behielt er als Gebühr – einen für sich und einen für William.
    William suchte die Mühle auf, um den ihm zustehenden Anteil einzutreiben. Normalerweise kümmerte er sich nicht persönlich um solche Dinge, aber was war in diesen Zeiten schon normal? Man konnte ja kein Fuhrwerk mit Mehl oder anderen Lebensmitteln ohne bewaffneten Begleitschutz lassen! William hatte sich angewöhnt, bei jedem größeren Ausritt mit einer Entourage einen oder zwei Karren mitzuführen, um überall, wo er hinkam, einzusammeln, was einzusammeln war.
    Die Outlaws waren zu einer Landplage geworden – eine unangenehme Begleiterscheinung seiner harten Linie gegen seine Pächter. Viele, die kein Land mehr hatten, wurden zu Dieben. Im Allgemeinen waren sie freilich als Diebe genauso erfolglos wie als Bauern, und so hatte William darauf spekuliert, dass während des Winters die meisten von ihnen verrecken würden. Anfangs schien seine Rechnung auch aufzugehen, hielten sich doch die Wegelagerer hauptsächlich an einsame Wanderer, bei denen es kaum etwas zu stehlen gab, oder aber sie attackierten planlos Ziele, die gut verteidigt wurden. In jüngster Zeit hatten sie allerdings ihre Taktik verbessert. Sie griffen nur noch an, wenn sie zahlenmäßig mindestens doppelt so stark waren wie die Verteidiger. Sie kamen nur, wenn die Scheuern voll waren – was bedeutete, dass sie ihre Ziele vorher sorgfältig ausspähten. Sie schlugen unerwartet und schnell zu und waren getrieben vom Mut der Verzweiflung. Auf lange Kämpfe ließen sie sich nicht ein: Sie packten sich ein Schaf, einen Schinken, einen Käse, einen Sack Mehl oder eine Geldkatze und machten, dass sie davonkamen. Sie zu verfolgen war sinnlos: Sie verschwanden sofort im Wald und zerstreuten sich in alle Richtungen. Irgendjemand musste sich zu ihrem Anführer aufgeschwungen haben, und dieser Jemand führte sie genauso, wie William sie an seiner statt geführt hätte.
    Der Erfolg der Outlaws demütigte William. Sie degradierten ihn zum Hanswurst, der unfähig war, in seiner eigenen Grafschaft für Ordnung zu sorgen. Am schlimmsten war, dass die Kerle fast nur ihn selbst bestahlen. Es sah so aus, als hätten sie es ausdrücklich darauf angelegt, ihn herauszufordern. Nichts war William verhasster als das Gefühl, dass die Leute sich hinter vorgehaltener Hand über ihn lustig machten. Sein Leben lang hatte er den Menschen Respekt gegenüber ihm und seiner Familie eingebläut – und nun kam dieser Banditenhaufen und machte alles wieder zunichte.
    Was William besonders bitter aufstieß, war, dass die Leute hinter seinem Rücken flüsterten, es geschehe ihm nur recht. Er sei mit äußerster Rücksichtslosigkeit gegen seine Pächter vorgegangen, und nun rächten sie sich dafür. Er müsse nun eben die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt habe. Jedes Mal, wenn William derartiges Gerede zu Ohren kam, fuhr er vor Wut fast aus der Haut.
    Bestürzt und angstvoll beobachteten die Bewohner von

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