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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Andererseits sollte aber auch ein Erzbischof sich nicht leichtsinnig in Gefahr begeben. Hinzu kam, dass die Heimtücke und Brutalität William Hamleighs Philip aus leidvoller Erfahrung bekannt waren. Als plötzlich das Erkerfenster eingeschlagen wurde, entschloss er sich daher zum Handeln.
    Der Palast war ringsum von Rittern umzingelt, was durch die Fenster leicht zu erkennen war. Ihr Anblick verstärkte seine Befürchtungen noch: Es handelte sich um eine sorgfältig geplante Attacke, und die Eindringlinge waren zur Gewaltanwendung bereit. Hastig schloss er die Tür des Schlafgemachs und zog den Sicherungsbalken vor. Die anderen waren heilfroh, dass nun endlich jemand die Initiative ergriff. Erzbischof Thomas sah Philips Treiben mit nach wie vor verächtlicher Miene zu, versuchte aber nicht, ihm Einhalt zu gebieten.
    Philip stand an der Tür und lauschte. Ein Mann war vom Erker her ins Empfangszimmer getreten. Hoffentlich hält die Tür, dachte Philip. Doch der Mann versuchte nicht, ins Schlafgemach einzudringen, sondern ging die Treppen hinunter. Wahrscheinlich wird er die Tür zum großen Saal öffnen und seine Spießgesellen hereinlassen wollen, dachte Philip.
    Dadurch gewann Thomas eine kleine Atempause.
    Auf der anderen Seite des Schlafgemachs befand sich, teilweise vom Bett verstellt, eine weitere Tür. Philip deutete darauf und sagte: »Wohin führt sie?«
    »Zum Kreuzgang«, sagte jemand. »Aber sie ist fest verschlossen.«
    Philip versuchte, sie zu öffnen, was ihm jedoch nicht gelang. »Habt Ihr vielleicht einen Schlüssel?«, fragte er den Erzbischof.
    Thomas schüttelte den Kopf. »Dieser Gang wurde, soweit ich mich entsinne, nie benutzt«, sagte er mit aufreizender Gelassenheit.
    Besonders stabil wirkte die Tür nicht. Philip trat dagegen, ein Schmerz durchfuhr seinen Fuß, die Tür schepperte nur. Der Prior biss die Zähne zusammen und trat ein zweites Mal zu. Diesmal flog die Tür auf.
    Philip sah Thomas an. Der Erzbischof zögerte offenbar noch immer. Er hatte anscheinend noch nicht begriffen, dass die große Zahl der Angreifer und die sorgfältige Planung der Attacke auf bitterernste Absichten gegen Leib und Leben hindeuteten. Doch es war aussichtslos, Thomas Becket mit drastischen Schilderungen der Gefahr zur Flucht bewegen zu wollen. Philip versuchte es auf andere Weise: »Es ist Zeit für die Vesper. Wir sollten uns nicht von ein paar Hitzköpfen die Gottesdienstordnung durcheinanderbringen lassen.«
    Thomas lächelte, als er merkte, dass sein eigenes Argument gegen ihn gekehrt wurde. »Wohl gesprochen!«, sagte er und erhob sich.
    Erleichtert darüber, dass es ihm gelungen war, den Erzbischof zum Gehen zu bewegen, andererseits aber auch voller Furcht, die Flucht könne nicht schnell genug vonstatten gehen, setzte Philip sich an die Spitze. Der Gang führte zunächst eine lange Treppe hinunter und wurde nur durch das rasch schwächer werdende Licht aus dem erzbischöflichen Schlafgemach erhellt. Am Ende des Ganges versperrte ihnen eine weitere Tür den Weg. Philip versuchte, sie auf die gleiche Weise zu öffnen wie die obere, schaffte es jedoch nicht. Er trommelte mit den Fäusten dagegen und rief: »Hilfe! Öffnet die Tür! Eilt Euch, schnell!« Er merkte an seiner eigenen Stimme, dass er drauf und dran war, in Panik zu geraten, und zwang sich zur Ruhe. Doch sein Herz raste, und er wusste, dass Williams Ritter ihnen dicht auf den Fersen waren.
    Die anderen hatten ihn eingeholt. Philip bearbeitete nach wie vor die Tür und schrie, was das Zeug hielt. »Würde, Philip, ich bitte Euch!«, hörte er Thomas sagen, ließ sich aber davon nicht beeinflussen. Er wollte des Erzbischofs Würde bewahren – seine eigene war ihm jetzt vollkommen gleichgültig.
    Ehe Thomas ein weiteres Mal protestieren konnte, wurde auf der anderen Seite für alle vernehmlich ein Sperrriegel fortgeschoben. Ein Schlüssel drehte sich im Schlüsselloch, und die Tür ging auf. Philip stieß einen hörbaren Seufzer der Erleichterung aus. Vor ihnen standen zwei verblüffte Cellerare, von denen einer sagte: »Ich habe keine Ahnung, wo der Gang herkommt.«
    Philip drängte sich ungeduldig an ihnen vorbei. Sie befanden sich im Vorratslager. Vorbei an Fässern und Säcken erreichte er die nächste Tür. Sie führte ins Freie.
    Es wurde langsam dunkel. Philip stand im südlichen Kreuzgang. Am anderen Ende erspähte er die Tür zum Querschiff der Kathedrale von Canterbury.
    Sie waren fast in Sicherheit.
    Ich muss Thomas in die Kirche

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