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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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freien Platz nieder. Der Mönch neben ihm verspeiste sein Mahl mit sichtlichem Behagen. Er sah Philip an und murmelte: »Heute gibt es frischen Fisch!«
    Philip nickte. Er wusste es bereits. Sein Magen knurrte.
    »Wie ich höre, gibt es bei euch draußen im Wald täglich frischen Fisch«, sagte der Mönch nicht ohne neidvollen Unterton in der Stimme.
    Philip schüttelte den Kopf. »Jeden zweiten Tag gibt es Geflügel«, flüsterte er.
    Seine Antwort machte den Mitbruder nur noch neidischer. »Hier gibt’s sechsmal in der Woche Pökelfisch.«
    Ein Diener legte eine große Weißbrotscheibe vor Philip auf den Tisch und belegte sie mit einem gebratenen Fisch, der nach Bruder Milius’ Kräuterwürze duftete. Philip holte sein Essmesser hervor und wollte gerade zulangen, als sich am anderen Ende des Tisches ein Mönch erhob und mit dem Finger auf ihn zeigte. Es war der Cirkator oder Aufseher. Was gibt’s jetzt schon wieder, dachte Philip.
    Der Cirkator brach – wozu er berechtigt war – das Schweigegebot: »Bruder Philip!«
    Alle Mönche hörten auf zu essen, und es herrschte absolute Stille im Refektorium.
    Auch Philip, das Essmesser noch auf den Fisch gerichtet, hielt inne und blickte erwartungsvoll auf.
    »Wer zu spät kommt, bekommt nichts zu essen«, sagte der Cirkator. »So will es die Regel.«
    Philip seufzte. An diesem Tag schien wirklich alles schiefzugehen. Er legte das Messer beiseite, gab dem Diener das Brot mitsamt dem Fisch zurück und beugte den Kopf, um der Tischlesung zu lauschen.
    In der Ruhestunde nach dem Essen ging Philip ins Vorratslager unterhalb der Küche und unterhielt sich mit Cuthbert Whitehead, dem Cellerar. Das Lager war ein großes, dunkles Gewölbe mit winzigen Fenstern, das von kurzen, stämmigen Pfeilern getragen wurde. Die Luft war trocken und gesättigt vom Duft der hier lagernden Schätze: Hopfen und Honig, eingelagerte Äpfel und getrocknete Kräuter, Käse und Essig. Bruder Cuthbert war meistens hier unten zu finden, denn seine vielfältigen Pflichten ließen ihm nicht viel Zeit für Gottesdienste, was jedoch seinen Neigungen durchaus zupass kam: Er war ein fähiger Bursche, der mit beiden Beinen im Leben stand und für spirituelle Dinge nicht allzu viel übrig hatte. Als Cellerar war er gleichsam das für die materiellen Dinge zuständige Pendant des Sakristans, denn in seinen Aufgabenbereich fielen alle praktischen Bedürfnisse der Mönche: Er musste die auf den Klostergütern hergestellten Waren zum Markt bringen und jene Versorgungsgüter herbeischaffen, die von den Mönchen und ihren Bediensteten nicht selbst produziert wurden. Es war eine Aufgabe, die großes Organisationstalent und sorgfältige Berechnungen erforderte. Cuthbert war allerdings nicht ganz auf sich allein gestellt: Milius, der Küchenmeister, trug die Verantwortung für die täglichen Mahlzeiten, und es gab auch einen Kammerdiener, der sich um die Kleidung der Mönche kümmerte. Beide unterstanden sie Cuthberts Oberaufsicht. Daneben gab es noch drei weitere Klosteroffiziale, die ihm nominell unterstanden, jedoch über eine gewisse Unabhängigkeit verfügten: den Gästemeister, den Infirmarius, der sich in einem separaten Gebäude um die alten und kranken Mitbrüder kümmerte, und den Almosenpfleger. Obwohl er also über eine Reihe von Mitarbeitern verfügte, blieb Cuthberts Verantwortung gewaltig. Dabei behielt er mit dem Argument, Pergament- und Tintenverschwendung sei eine Schande, alle Zahlen und Informationen im Kopf. Philip argwöhnte, dass Bruder Cuthbert nie richtig Schreiben und Lesen gelernt hatte. Seinen Zunamen ›Whitehead‹ verdankte Cuthbert im Übrigen dem Umstand, dass er von früher Jugend an weißhaarig gewesen war. Inzwischen war er über sechzig, und die einzigen Haare, die ihm verblieben waren, entsprossen in dichten Büscheln seinen Ohren und Nasenlöchern; es war, als wollten sie seine Glatze wettmachen. Philip, der in dem Kloster in Wales selber Cellerar gewesen war, hatte Verständnis für Cuthberts Sorgen und Launen, weshalb Cuthbert ihn auch sehr mochte. Da ihm nicht entgangen war, wie man Philip um seine Mahlzeit gebracht hatte, griff er nun in ein Fass und holte ein halbes Dutzend Birnen heraus. Sie waren ein wenig verschrumpelt, schmeckten jedoch recht gut. Philip verspeiste sie mit Behagen, während Cuthbert sich über die wirtschaftliche Lage des Klosters beklagte.
    »Es ist mir gänzlich unverständlich, wie die Priorei zu so vielen Schulden kommen konnte«, bemerkte

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