Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Küchenjungen, denen der Schweiß in Strömen übers Gesicht lief, langsam gedreht wurden. Der Fischgeruch ließ Philip das Wasser im Munde zusammenlaufen. In großen Eisentöpfen, die über den Flammen hingen, kochten Karotten. An einem Hackbrett standen zwei junge Männer und schnitten armlange Weißbrote auf, die als Unterlagen für die Speisen benutzt wurden. Aufseher über das scheinbare Chaos war Bruder Milius, der Küchenmeister, ein Mann ungefähr in Philips Alter. Er thronte auf einem hohen Stuhl und betrachtete das aufgeregte Hin und Her mit seelenruhigem Lächeln, als wäre alles in bester Ordnung (was nach seiner persönlichen Erfahrung wahrscheinlich sogar stimmte). Er lächelte auch Philip an und sagte: »Vielen Dank für den Käse.«
»Ach ja!« Philip hatte sein Mitbringsel schon fast vergessen – so viel war seit seiner Ankunft geschehen. »Er ist ausschließlich aus Morgenmilch gemacht. Du wirst es am Geschmack merken, er ist ein bisschen anders.«
»Ich bin schon ganz versessen darauf. Aber sag an, Bruder, warum schaust du so verdrießlich drein? Ist etwas geschehen?«
»Nein, nichts. Ich hatte lediglich eine Auseinandersetzung mit Andrew.« Philip machte eine abfällige Handbewegung. »Kann ich mir einen heißen Stein vom Feuer nehmen?«
»Natürlich.«
Im Küchenfeuer pflegten immer einige Steine zu liegen, die man zum schnellen Erhitzen kleinerer Mengen Wasser oder Suppe herausnehmen konnte. »Bruder Paul, der Mann im Brückenhäuschen, hat eine Frostbeule, und Remigius gibt ihm kein Feuerholz«, erklärte Philip. Er ergriff eine langarmige Zange und zog einen der heißen Steine aus dem Feuer.
Milius öffnete einen Schrank und holte ein Stück altes Leder hervor, das früher einmal eine Schürze gewesen sein mochte. »Hier«, sagte er, »da hast du was zum Einwickeln.«
»Ich danke dir.« Philip legte den Stein in die Mitte des Lederstücks und hob es vorsichtig an den vier Zipfeln auf.
»Beeil dich«, sagte Milius. »Es gibt gleich Essen.«
Philip winkte ihm kurz zu. Über den Küchenhof erreichte er das Tor. Zu seiner Linken, gleich neben der Westmauer, stand die Mühle. Vor vielen Jahren hatte man oberhalb der Priorei einen Kanal gegraben, der den Mühlenteich mit Flusswasser versorgte. Das Wasser trieb das Mühlrad an und floss von dort aus unterirdisch zur Brauerei und zur Küche. Es speiste auch den Brunnen im Kreuzgang, wo sich die Mönche vor dem Essen die Hände wuschen, sowie die neben dem Dormitorium gelegene Latrine. Dahinter bog der Kanal gen Süden und mündete wieder in den Fluss. Die Anlage entsprang der weitsichtigen Planung eines ehemaligen Priors.
Vor dem Stall lag ein Haufen schmutziges Stroh. Die Burschen folgten also Philips Befehl und misteten aus. Philip durchschritt das Tor und begab sich zur Brücke; der Weg führte ihn durch das Dorf.
War es anmaßend von mir, den jungen William Beauvis zu tadeln, fragte er sich. Nein, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, es wäre sündhaft gewesen, wenn ich eine derartige Störung des Gottesdienstes tatenlos hingenommen hätte.
Er erreichte die Brücke und steckte den Kopf in Pauls kleinen Unterschlupf. »Hier, wärme daran deine Füße!«, sagte er und reichte ihm das Lederbündel mit dem heißen Stein. »Wenn er ein bisschen abgekühlt ist, nimm ihn heraus, und stell deine Füße direkt auf den Stein. Die Wärme müsste eigentlich bis heute Abend vorhalten.«
Bruder Paul schlüpfte aus den Sandalen und stellte seine Füße sofort auf das warme Bündel. »Ich spüre schon, wie der Schmerz nachlässt«, sagte er dankbar.
»Wenn du den Stein heute Abend ins Küchenfeuer legst, ist er morgen früh wieder heiß«, bemerkte Philip.
»Und Bruder Milius ist damit einverstanden?«, fragte Paul aufgeregt.
»Mein Wort darauf.«
»Du bist sehr gut zu mir, Bruder Philip.«
»Das ist doch selbstverständlich.« Philip verabschiedete sich, bevor Pauls Dankesbekundungen peinlich wurden. Es ging schließlich nur um einen heißen Stein.
Er kehrte zurück in die Priorei, wusch sich im steinernen Becken an der Südwand des Kreuzgangs die Hände und betrat das Refektorium. An einem Stehpult stand ein Mönch und las mit lauter Stimme vor. Das Essen sollte, so wollte es die Regel, abgesehen von der Tischlesung, schweigend eingenommen werden. Dennoch hörte man nicht nur die Essgeräusche der ungefähr vierzig Mönche, sondern auch ständiges, regelwidriges Geflüster. Philip ließ sich an einem der langen Tische auf einem
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