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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Aufrechterhaltung der Disziplin zuständig war. Der Mönch saß auf der anderen Seite des Chors und war in die Unterhaltung mit einem Mitbruder vertieft. Er achtete weder auf den Gottesdienst noch auf das ungebührliche Benehmen der jungen Mönche.
    Philip wartete noch einen Augenblick, obgleich seine Geduld schon am Ende war. Anführer der Rabauken war, wie es schien, ein gut aussehender Bursche von vielleicht einundzwanzig Jahren, der ein besonders unverschämtes Grinsen zur Schau trug. Philip sah, wie er mit seinem Essmesser in eine brennende Kerze langte und dem Novizenmeister flüssigen Talg auf die Glatze spritzte. Mit einem Schrei fuhr der alte Mann aus dem Schlaf, als das heiße Fett auf seiner Kopfhaut landete. Die jungen Mönche platzten schier vor Lachen.
    Philip erhob sich seufzend. Er packte den Rädelsführer von hinten am Ohr und zerrte ihn unsanft aus dem Chor ins südliche Querschiff. Andrew sah von seinem Gebetbuch auf und runzelte die Stirn, als er Philip erblickte. Die Unruhe zuvor war ihm völlig entgangen.
    Außer Hörweite der anderen Mönche blieb Philip stehen und ließ das Ohr des jungen Mannes los. »Name?«, fragte er.
    »William Beauvis.«
    »Welcher Teufel ist während des Hochamts in dich gefahren?«
    »Die Messe ödet mich an«, gab William mürrisch zurück.
    Für Mönche, die sich über ihr Schicksal beklagten, hatte Philip nicht das geringste Mitgefühl. »Ödet dich an?«, wiederholte er mit erhobener Stimme. »Was hast du denn heute sonst noch getan?«
    Trotzig erwiderte William: »Matutin und Laudes mitten in der Nacht, Prim vor dem Frühstück, dann Terz, Hauptmesse, Studium und nun das Hochamt …«
    »Hast du auch gegessen?«
    »Ja, Frühstück.«
    »Und jetzt willst du zu Mittag essen?«
    »Ja.«
    »Die meisten Menschen deines Alters arbeiten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Schweiße ihres Angesichts auf den Feldern, um sich ihr Frühstück und ihr Mittagessen zu verdienen … Und dabei fällt auch immer noch etwas für dich mit ab! Weißt du eigentlich, warum sie das tun?«
    »Ja«, sagte William, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und blickte zu Boden.
    »Also?«
    »Sie tun es, weil sie wollen, dass die Mönche für sie beten.«
    »Richtig. Brot, Fleisch und das aus Steinen erbaute Dormitorium, in dem im Winter ein warmes Feuer brennt, verdankst du der harten Arbeit der Bauern. Und du bist so müde und angeödet, dass du für sie nicht einmal während des Hochamts stillhalten kannst!«
    »Es tut mir leid, Bruder.«
    Philip betrachtete den jungen Mann aufmerksam. William war kein böswilliger Kerl. Die Hauptschuld lag bei seinen Oberen, deren lasches Regiment ein solches Betragen in der Kirche duldete. »Warum bist du Mönch geworden, wenn dich der Gottesdienst langweilt?«, fragte Philip in milderem Ton.
    »Ich bin meines Vaters fünfter Sohn.«
    Philip nickte. »Dafür, dass die Priorei dich aufnahm, hat er ihr bestimmt ein gutes Stück Land übereignet, wie?«
    »Ja, einen ganzen Hof.«
    Es war immer die gleiche Geschichte: Ein Mann, der zu viele Söhne hatte, schenkte einen von ihnen dem Herrn. Und um sicherzustellen, dass dieser das Geschenk nicht zurückwies, gab er ihm noch ein Stück Land mit, das groß genug war, um dem Sprössling ein karges Auskommen in mönchischer Armut zu ermöglichen. Auf diese Weise wurden viele junge Leute Mönche, obwohl ihnen die innere Berufung dazu fehlte. Kein Wunder, dass sie es mit dem Gehorsam nicht so genau nahmen.
    »Angenommen«, sagte Philip, »du würdest versetzt – auf einen kleinen Gutshof vielleicht, oder du kämest zu mir in meine kleine Zelle im Wald, wo es eine Menge Feldarbeit gibt und die Andachten vergleichsweise wenig Zeit in Anspruch nehmen – was meinst du, würde es dir da leichter fallen, in Frömmigkeit und Anstand an den Gottesdiensten teilzunehmen?«
    Williams Miene hellte sich auf. »Ja, Bruder, ich glaube, es würde mir leichter fallen.«
    »Das dachte ich mir. Ich werde sehen, was sich tun lässt. Mach dir aber keine allzu großen Hoffnungen. Vielleicht musst du warten, bis wir einen neuen Prior haben, und bei ihm selbst um die Versetzung einkommen.«
    »Ich danke Euch auf jeden Fall sehr.«
    Der Gottesdienst war vorüber, und die Mönche verließen die Kirche in einer kleiner Prozession. Philip legte zum Zeichen, dass er die Unterredung für beendet hielt, den Zeigefinger auf die Lippen. Als die Mönche vorbeikamen, schlossen sich Philip und William an und folgten ihnen hinaus in den

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