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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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werde langsam alt, Philip. Schon meine jetzige Tätigkeit wächst mir im Grunde über den Kopf. Jede zusätzliche Verantwortung gäbe mir den Rest. Mir fehlt ganz einfach die Kraft dazu, ein heruntergewirtschaftetes Kloster zu leiten und wieder auf Trab zu bringen. Nimm alles in allem, und du wirst finden, dass ich für diese Aufgabe auch nicht besser tauge als Remigius.«
    Philip wollte es immer noch nicht wahrhaben. »Es gibt doch noch andere … den Sakristan, den Cirkator, den Novizenmeister …«
    »Der Novizenmeister ist ein alter Mann und noch müder als ich. Der Gästemeister ist ein Vielfraß und ein Säufer. Und der Sakristan und der Cirkator haben sich bereits auf Remigius festgelegt. Warum? Ich weiß es nicht, aber ich habe so meine Vermutungen. Wahrscheinlich hat Remigius dem Sakristan die Stelle des Subpriors und dem Cirkator das Amt des Sakristans versprochen – jeweils zum Lohn für ihre Unterstützung.«
    Philip ließ sich rücklings auf die Mehlsäcke fallen, die ihm als Sitzgelegenheit dienten. »Du willst damit also sagen, dass Remigius die Nachfolgefrage längst in seinem Sinne geregelt hat, oder?«
    Cuthbert ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er erhob sich und ging zur anderen Seite des Lagerraumes, wo bereits ein hölzerner Wassertrog voller lebendiger Aale, ein Eimer mit klarem Wasser und ein etwa zu einem Drittel gefülltes Fass mit Salzlake bereitstanden. »Komm, hilf mir!«, sagte er zu Philip und zog ein Messer heraus. Dann fischte er einen Aal aus dem Trog, hieb den Kopf des Tieres auf den Steinboden, schnitt ihm den Leib auf und nahm ihn aus. Schließlich schob er Philip den noch immer leicht zuckenden Fischkörper zu und sagte: »Wasch ihn im Eimer, und schmeiß ihn dann ins Fass. Der wird uns zur Fastenzeit schon den Appetit verderben!«
    Philip wässerte und wusch den halb toten Aal, so gut er konnte, und warf ihn dann in die Salzlake.
    Cuthbert war schon beim nächsten Aal, als er wieder auf die Nachfolgefrage zu sprechen kam: »Es gibt noch einen weiteren Kandidaten: Er würde einen guten Prior abgeben und sich mit Sicherheit um grundlegende Reformen bemühen. Und vom Rang her kann er es zwar nicht mit dem Subprior aufnehmen, durchaus aber mit dem Sakristan und dem Cellerarius.«
    Philip tauchte den Aal in den Eimer. »Wen meinst du?«
    »Dich.«
    »Mich?« Philip war so überrascht, dass er den Aal auf den Fußboden fallen ließ. Rein formal gehörte er zu den Offizialen der Priorei, doch wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, sich auf eine Stufe mit dem Sakristan und den anderen Amtsträgern zu stellen – vor allem, weil sie alle viel älter waren als er.
    »Ich bin zu jung …«, stammelte er.
    »Denk mal drüber nach«, erwiderte Cuthbert. »Du hast von Kindesbeinen an im Kloster gelebt. Schon mit einundzwanzig Jahren warst du Cellerarius. Seit vier oder fünf Jahren bist du Prior einer kleinen Außenstelle unseres Hauses – und du hast deine Zelle vortrefflich reformiert. Es ist für jedermann ersichtlich, dass der Herr seine Hand über dich hält.«
    Es gelang Philip, den entwischten Aal wieder einzufangen und im Fass zu verstauen. »Der Herr hält seine Hand über uns alle«, sagte er ausweichend. Cuthberts Vorschlag kam wie ein Keulenschlag. Er, Philip, hatte sich immer einen energischen neuen Prior für Kingsbridge gewünscht – aber an sich selbst hatte er nie gedacht. Nach einer Weile fügte er nachdenklich hinzu: »Es ist wohl richtig, dass ich ein besserer Prior wäre als Remigius.«
    Cuthbert war’s offenbar zufrieden. »Wenn du einen Fehler hast, Philip, dann ist das deine Unschuld.«
    Philip hielt sich nicht für unschuldig oder naiv. »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Du suchst bei anderen Leuten niemals nach niedrigen Beweggründen. Die meisten von uns tun das schon. So ist jedermann hier im Kloster fest davon überzeugt, dass du auf das Amt des Priors spekulierst und nur gekommen bist, weil du um Stimmen werben willst.«
    Philip war ungehalten. »Wie kommen die denn darauf ?«
    »Versuch dich doch mal mit den Augen eines niedrigen, argwöhnischen Geistes zu sehen! Du tauchst hier auf, völlig unerwartet und nur wenige Tage nach dem Ableben von Prior James, sodass man unwillkürlich annehmen muss, ein Informant hier aus dem Kloster habe dich heimlich benachrichtigt.«
    »Und wie, glaubt man, soll ich das alles eingefädelt haben?«
    »Das weiß doch keiner! Sie halten dich ganz einfach für viel raffinierter, als du bist.« Cuthbert schlitzte

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