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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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einen weiteren Aal der Länge nach auf und weidete ihn aus. »Denk doch mal nach, wie du dich hier aufführst seit deiner Ankunft: Kaum hast du das Klostergelände betreten, befiehlst du den Stallburschen auszumisten. Dann rufst du die Burschen zur Ordnung, die während des Hochamts Unfug treiben. Du sprichst mit dem jungen William Beauvis über dessen mögliche Versetzung, obwohl jedermann weiß, dass die Entscheidung in dieser Frage dem Prior vorbehalten ist. Du bringst Bruder Paul draußen an der Brücke einen heißen Stein und kritisierst damit indirekt Remigius. Und schließlich lieferst du auch noch in der Küche einen vorzüglichen Käse ab, von dem wir alle nach dem Essen kosten durften. Und obwohl uns natürlich niemand ausdrücklich gesagt hat, woher der Käse stammt, so ist das vorzügliche Aroma doch ein unverkennbares Markenzeichen der Käserei von St.-John-in-the-Forest …«
    Eine Verkettung von peinlichen Missverständnissen, dachte Philip und erwiderte: »All diese Dinge hätte auch jeder andere von uns tun können.«
    » Eines vielleicht, ja, das mag für uns Ältere, die wir ein Amt ausüben, zutreffen. Aber ich wüsste keinen, der all diese Dinge auf einmal getan hätte. Du kommst daher und ergreifst die Initiative! Das war ja schon ein erstes Probefegen mit dem neuen Besen. Kein Wunder, dass sich Remigius’ Busenfreunde auf die Hinterbeine stellen! Was glaubst du, warum dich Sakristan Andrew im Kreuzgang so ausgescholten hat?«
    »Ach so … nun, das erklärt manches! Ich habe mich schon gefragt, was eigentlich in ihn gefahren ist.« Philip wusch gedankenverloren einen ausgenommenen Aal. »Und aus demselben Grund hat mir wohl der Cirkator das Essen verboten, wie?«
    »Ganz recht. Er wollte dich vor den Augen aller Mitbrüder demütigen. Ich glaube allerdings, dass der Schuss nach hinten losgegangen ist, denn der Tadel war in beiden Fällen an den Haaren herbeigezogen. Außerdem hast du ihn nobel über dich ergehen lassen. Um ehrlich zu sein, du hast ihn mit wahrhaft heiligmäßiger Miene ertragen.«
    »Es ging mir nicht um den äußeren Eindruck.«
    »Das war bei den Heiligen genauso. Hörst du? Es läutet zur Non. Am besten lässt du mich jetzt mit meinen Aalen allein. Nach dem Gebet ist Studium, und im Kreuzgang darf disputiert werden. Viele Mitbrüder werden sich mit dir unterhalten wollen.«
    »Nicht so schnell!«, sagte Philip besorgt. »Dass einige Leute sich einbilden, ich wolle Prior werden, heißt noch lange nicht, dass ich mich auch tatsächlich zur Wahl stelle.« Die Aussicht auf eine harte Wahlauseinandersetzung war ihm alles andere als angenehm. Außerdem war er mit sich selbst noch nicht im Reinen: Bin ich wirklich bereit, meine inzwischen so gut funktionierende Zelle im Wald gegen die gewaltigen Probleme hier in Kingsbridge einzutauschen, fragte er sich. Er bat Cuthbert um Verständnis. »Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
    »Ich weiß.« Cuthbert richtete sich auf und sah Philip in die Augen. »Bedenke aber bei all deinen Überlegungen Folgendes: Überzogener Stolz ist eine bekannte Sünde – doch lässt sich der Wille Gottes durch überzogene Bescheidenheit genauso leicht durchkreuzen.«
    Philip nickte. »Ich werde mich deiner Worte erinnern. Vielen Dank.«
    Er verabschiedete sich und schloss sich vor dem Lager den anderen Mönchen an, die ebenfalls unterwegs zur Kirche waren. Die aberwitzigsten Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Jahrelang hatte er sich darüber geärgert, wie schlecht und würdelos die Priorei Kingsbridge geführt wurde, und nun bot sich ihm unvermittelt eine Chance, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zum Besseren zu wenden. Würde er es wirklich schaffen? Er war plötzlich unsicher. Die Missstände zu erkennen war eine Sache – sie auch zu beheben eine ganz andere. Die Leute mussten überzeugt werden, die Liegenschaften erforderten eine kundige Verwaltung, Geld musste aufgetrieben werden … Die Aufgabe verlangte einen klugen Kopf, und die Last der Verantwortung wog schwer.
    In der Kirche fand er, wie immer, Frieden. Nach den unerfreulichen Vorfällen vom Vormittag betrugen sich die Mönche diesmal anständig und gesittet. Philip hörte die vertrauten Sätze des Chorgebets und murmelte die ihm seit so vielen Jahren vertrauten Antworten. Die Gedanken beruhigten sich, sein Kopf wurde wieder klar.
    Möchtest du Prior von Kingsbridge werden, fragte er sich, und die Antwort kam unverzüglich: Ja! Allein, um dem Verfall dieses Gotteshauses Einhalt

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