Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
quadratischen Kreuzgang, der an die Südflanke des Kirchenschiffs anschloss und ringsum von Arkaden umgeben war. Dort löste sich die Prozession auf. Philip wollte sich Richtung Küche entfernen, sah sich jedoch urplötzlich dem Sakristan gegenüber. Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, versperrte der Mann ihm den Weg. »Bruder Philip«, tönte er.
»Bruder Andrew …«, antwortete Philip und dachte bei sich: Was ist denn in den gefahren?
»Was fällt dir ein, mein Hochamt zu stören?«
Philip wusste nicht, wie ihm geschah. »Dein Hochamt zu stören?«, wiederholte er ungläubig. »Der junge Mann betrug sich höchst ungebührlich. Er …«
»Ich bin durchaus imstande, mit ungebührlichem Betragen während meines Gottesdienstes selbst fertig zu werden«, unterbrach ihn Andrew mit erhobener Stimme. Die Mönche, die begonnen hatten, sich zu zerstreuen, hielten inne und blieben in der Nähe, um ja nichts zu versäumen.
Philip konnte die Aufregung nicht verstehen. Junge Mönche und Novizen mussten gelegentlich während der Gottesdienste zur Ordnung gerufen werden, das blieb nicht aus, und diese Aufgabe fiel nun einmal den älteren Brüdern zu. Es gab keine Regel, die besagte, dass nur der Sakristan das Recht dazu hatte. »Du hast doch gar nicht gesehen, was geschehen ist …«, begann Philip.
»Vielleicht doch, Bruder Philip. Vielleicht hatte ich lediglich vor, die Angelegenheit später zu bereinigen …«
Er hat bestimmt nichts bemerkt, dachte Philip und stellte die herausfordernde Frage: »Gut, dann sag es mir. Was hast du gesehen?«
»Bilde dir ja nicht ein, du könntest mich einem Verhör unterziehen!«, brüllte Andrew, und sein Gesicht lief purpurrot an. »Du magst in deiner kleinen Zelle draußen im Wald Prior sein, meinetwegen. Aber ich bin hier seit zwölf Jahren Sakristan und werde die Gottesdienste in dieser Kathedrale nach meinem eigenen Gutdünken halten – und ohne die Einmischung von Fremden, die nicht halb so alt sind wie ich.«
Vielleicht habe ich mich wirklich nicht ganz korrekt verhalten, dachte Philip. Warum wäre Andrew sonst so wütend? Was jedoch viel wichtiger war: Ein Streit im Kreuzgang war für die anderen Mönche alles andere als erbaulich und durfte nicht fortgeführt werden. Zähneknirschend schluckte Philip seinen Stolz hinunter und beugte untertänig das Haupt. »Ich sehe meine Verfehlung ein, Bruder, und erbitte demütig deine Verzeihung.«
Andrew hatte sich auf ein längeres Wortgefecht eingerichtet, weshalb ihm der frühe Rückzug seines Kontrahenten überhaupt nicht gefiel. »Sieh zu, dass so etwas nicht noch einmal geschieht«, sagte er ungnädig.
Philip verzichtete auf eine Antwort. Es stand außer Frage, dass Andrew das letzte Wort haben musste, sodass jede weitere Bemerkung nur wieder eine neue Replik herausfordern würde. Er blieb noch ein paar Augenblicke mit gesenktem Blick an Ort und Stelle stehen und biss sich auf die Zunge, während Andrews strafender Blick auf ihm ruhte. Endlich drehte sich der Sakristan auf dem Absatz um und schritt hocherhobenen Hauptes von dannen.
Die Mönche starrten Philip an. Die Erniedrigung, die er soeben erfahren hatte, ärgerte ihn, doch nahm er sie hin, denn ein stolzer Mönch war ein schlechter Mönch. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er den Kreuzgang.
Die Wohnquartiere der Mönche befanden sich auf der Südseite des Klostergeländes: das Dormitorium in der Südost-, das Refektorium in der Südwestecke. Philip wandte sich nach Westen, durchquerte das Refektorium und trat ins Freie, sodass sein Blick nun wieder auf das Gästehaus und die Stallungen fiel. Hier in der Südwestecke des Geländes lag der Küchenhof, der von drei Seiten eingefasst war: von der Küche selbst, vom Refektorium, vom Backhaus und von der Brauerei. Ein hoch mit Rüben beladener Karren stand im Hof und wartete darauf, entladen zu werden. Philip stieg die Treppen zur Küchentür empor und trat ein.
Drinnen herrschte eine fast erstickende Atmosphäre. Der Geruch nach bratendem Fisch hing schwer in der Luft; es klirrten und klapperten die Pfannen, und durch die Hitze gedämpfte Befehle und Anweisungen schwirrten durch den Raum. Drei Köche, ein jeder vor Eile rotgesichtig und verschwitzt, bereiteten mit Hilfe von sechs oder sieben Küchenjungen das Mahl. An beiden Enden der Küche befand sich eine große Feuerstelle; die Flammen loderten hell auf, und darüber brutzelten je zwanzig oder mehr Fische an Spießen, die von zwei
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