Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Darüber hinaus hatte Cuthbert mit seiner Bemerkung Zweifel daran gesät, ob Remigius überhaupt imstande war, die Pflichten eines Priors zu bewältigen. Mit einigen wenigen, im freundlichsten Ton formulierten Worten hatte er schlicht Remigius’ Autorität untergraben. Remigius schäumte, und Philip spürte, wie ihm die Vorfreude auf den Sieg fast die Luft benahm.
Sakristan Andrew sah Cuthbert vorwurfsvoll an. »Ich bin allerdings ebenfalls fest davon überzeugt, dass niemand der Anwesenden die Absicht hat, unseren verehrten Subprior zu kritisieren«, sagte er. »Der Vorfall während des Hochamts wurde von Bruder Philip verursacht, der aus seiner Zelle St.-John-in-the-Forest angereist ist und uns einen Besuch abstattet. Philip hat unseren jungen Mitbruder William Beauvis von seinem Platz im Chor fortgezerrt und ihm, noch während ich die Messe zelebrierte, im südlichen Querschiff schwere Vorhaltungen gemacht.«
Remigius hatte sich wieder gefasst und eine sorgenvoll-tadelnde Miene aufgesetzt. »Wir dürften darin übereinstimmen, dass Philip mit seinem Eingreifen bis zum Ende des Gottesdienstes hätte warten sollen.«
Philip studierte die Gesichter der anderen Mönche, vermochte jedoch nicht zu sagen, ob sie dem Gesagten zustimmten oder nicht. Sie verfolgten den Schlagabtausch mit der Neugier von Zuschauern bei einem Turnier, bei dem es nicht um Recht und Unrecht geht, sondern einzig und allein darum, wer am Ende den Sieg davonträgt.
Philip wollte protestieren – Wenn ich gewartet hätte, wäre das doch bis zum Ende des Gottesdienstes so weitergegangen! –, doch dann erinnerte er sich an den Ratschlag des Milius und schwieg. Und tatsächlich ergriff nun Milius für ihn das Wort.
»Auch ich habe das Hochamt versäumt«, begann er, »wie leider schon des Öfteren zuvor – findet das Hochamt doch immer kurz vor dem Essen statt. So kannst du, Bruder Andrew, mir vielleicht kurz sagen, worum es ging. Was veranlasste eigentlich Bruder Philip zum Eingreifen?«
»Die jungen Mitbrüder verhielten sich in der Tat etwas unruhig«, antwortete der Sakristan finster. »Ich hätte ihnen später schon meine Meinung gesagt.«
»Ich verstehe durchaus, dass dir die Einzelheiten nicht ganz vertraut sind – du warst eben mit Leib und Seele bei deinem Gottesdienst. Doch haben wir ja glücklicherweise einen Cirkator, zu dessen ausdrücklichen Pflichten die Aufrechterhaltung der Disziplin zählt. Bruder Pierre – erzähl uns doch, was du beobachtet hast.«
Der Cirkator war aufgebracht. »Genau dasselbe, was der Sakristan eben schon berichtet hat.«
»Wie’s scheint, müssen wir uns wegen der Einzelheiten an Bruder Philip persönlich wenden«, sagte Milius.
Gut gemacht, dachte Philip. Milius hat für jedermann erkennbar festgestellt, dass weder der Sakristan noch der Cirkator wussten, was die jungen Mönche während des Gottesdienstes eigentlich getrieben hatten. Doch trotz seiner Bewunderung für Milius’ rhetorische Fähigkeiten hatte Philip Skrupel, das Spiel mitzuspielen. Die Wahl eines Priors war kein intellektueller Wettstreit, sondern vielmehr der Versuch, den Willen Gottes zu erforschen. Er zögerte. Milius warf ihm einen Blick zu, der so viel besagte wie Jetzt ergreife die Gelegenheit beim Schopfe! – aber Philip verfügte über eine gewisse Sturheit, die vor allem dann zum Tragen kam, wenn jemand versuchte, ihn in eine moralisch zweideutige Stellung zu manövrieren. Er sah Milius an und sagte: »Es verhielt sich so, wie meine Mitbrüder es eben geschildert haben.«
Milius war sichtlich entsetzt und starrte Philip ungläubig an, öffnete sogar den Mund, wusste jedoch nicht, was er sagen sollte. Philip machte sich schon Vorwürfe, dass er ihn so bloßgestellt hatte.
Remigius wollte gerade in seiner Anklage fortfahren, als sich eine weitere Stimme meldete. »Ich möchte bekennen.«
Alle sahen auf oder drehten sich um. Es war William Beauvis, der mit seinen Faxen während des Hochamts den Stein erst ins Rollen gebracht hatte. Er hatte sich erhoben und wirkte sehr zerknirscht. »Ich habe den Novizenmeister mit Dreckkügelchen beworfen und dabei gelacht«, gestand er mit leiser, aber klarer Stimme. »Bruder Philip hat mir die Augen geöffnet. Ich schäme mich. Ich flehe den Herrn um Vergebung an und bitte die Mitbrüder, mir eine Buße aufzuerlegen.« Er setzte sich wieder hin.
Ehe Remigius auf das Bekenntnis reagieren konnte, stand ein zweiter junger Mönch auf und sagte: »Auch ich möchte bekennen. Ich
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