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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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habe dasselbe getan wie William. Ich bitte um eine Buße.« Er setzte sich. Der plötzliche Ausbruch des schlechten Gewissens erwies sich geradezu als ansteckend: Ein dritter Mönch stand auf und bekannte, dann ein vierter, ein fünfter …
    So kam die Wahrheit ans Licht – trotz der Vorbehalte Philips, der über den Verlauf der Dinge hochzufrieden sein konnte. Er sah, dass Milius mühevoll ein triumphierendes Grinsen unterdrückte. Die Bekenntnisse ließen keinen Zweifel mehr daran, dass unter den Augen von Cirkator und Sakristan ein mittlerer Aufruhr stattgefunden haben musste.
    Remigius war über die Wende, die die Dinge genommen hatten, natürlich alles andere als begeistert. Er verurteilte die Übeltäter zu einer Woche absoluten Schweigens, das heißt, sie durften weder selbst sprechen noch angesprochen werden. Die Strafe war härter, als es im ersten Augenblick klang. Philip selbst hatte sie in seiner Jugend über sich ergehen lassen müssen. Schon bei eintägigem Schweigegebot geriet man in bedrückende Vereinsamung; eine ganze Woche war etwas ganz Entsetzliches.
    Im Grunde traf die jungen Mönche lediglich Remigius’ Zorn darüber, dass man ihm ein Schnippchen geschlagen hatte. Nach dem Bekenntnis blieb ihm nichts anderes übrig, als die Schuldigen zu bestrafen – obwohl er damit vor allen Mönchen offen zugab, dass Philip von Anfang an recht gehabt hatte. Seine Attacke hatte sich als übler Fehlschlag erwiesen. Trotz eines leichten Anflugs von schlechtem Gewissen genoss Philip seinen Triumph.
    Doch die Erniedrigung des Subpriors war damit noch nicht zu Ende.
    Cuthbert ergriff das Wort. »Es gab da noch einen weiteren Vorfall, über den wir sprechen sollten. Er ereignete sich gleich nach dem Hochamt im Kreuzgang.« Philip fragte sich, was der alte Mönch nun schon wieder im Schilde führte. »Bruder Andrew machte Bruder Philip schwere Vorwürfe wegen ungebührlichen Benehmens.« Das wissen doch alle längst, dachte Philip, doch Cuthbert fuhr fort: »Ort und Zeit für die Erörterung solcher Vorwürfe ist, wie wir alle wissen, die Kapitelversammlung. So haben es unsere Vorfahren im Orden beschlossen, und sie hatten gute Gründe dafür. Erhitzte Gemüter pflegen sich über Nacht ein wenig abzukühlen, sodass man am nächsten Morgen sine ira et studio über die geführten Klagen sprechen kann. Zudem kann die Klostergemeinschaft in der Kapitelversammlung ihr vereintes Wissen einbringen und somit gemeinsam zu einer Lösung der strittigen Frage beitragen. Zu meinem tiefen Bedauern hat Andrew sich über diese kluge Regel höhnisch hinweggesetzt, indem er Philip im Kreuzgang mit unbeherrschter Rede angriff und jedermanns Ruhe und Frieden störte. Es wäre ungerecht gegen die jungen Brüder, die soeben für ihr Tun bestraft wurden, wenn Andrew ohne Buße davonkäme.«
    Cuthberts Argumentation war ebenso brillant wie gnadenlos. Die Frage, ob Philip rechtmäßig gehandelt hatte, als er William während des Hochamts aus dem Chor holte, war bisher überhaupt noch nicht erörtert worden – vielmehr hatte jeder Versuch, sie zur Sprache zu bringen, sogleich zu einer kritischen Befragung des Anklägers geführt. Philip empfand dies als gerechten Lohn, denn Andrews Vorwürfe waren unaufrichtig gewesen. Cuthbert und Milius war es gelungen, Remigius und seine beiden Hauptverbündeten, Andrew und Pierre, unglaubwürdig zu machen.
    Andrews gemeinhin rotes Gesicht war mittlerweile vor Wut purpurfarben, während Remigius fast ängstlich aussah. Philip war es zufrieden – sie verdienten es nicht anders –, doch sah er auch eine Gefahr: Die Erniedrigung der Gegenspieler konnte zu weit getrieben werden. »Es ziemt sich nicht für jüngere Brüder, über die Bestrafung ihrer Vorgesetzten zu diskutieren«, sagte er. »Überlasst es dem Subprior, diese Angelegenheit für sich zu entscheiden.« Ein Blick in die Runde verriet ihm, dass die Mönche seine Großmut guthießen – unbeabsichtigt hatte er einen weiteren Teilerfolg errungen.
    Alles schien gelaufen. Philip war überzeugt, die meisten der zuvor noch Unentschiedenen auf seine Seite gezogen zu haben. Doch da erhob noch einmal Remigius die Stimme und sagte: »Es gibt da noch eine weitere Angelegenheit, auf die ich zu sprechen kommen möchte.«
    Philip sah den Subprior an; der Mann wirkte verzweifelt, Sakristan Andrew und Cirkator Pierre waren sichtlich überrascht. Was nun kam, war demnach nicht von langer Hand geplant.
    »Den meisten unter euch dürfte bekannt sein,

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