Die Säulen der Schöpfung - 13
Tempo dahin. Nach einer Weile mußten sie zu Fuß weitergehen, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Sebastian war sicher, daß sie jeden möglichen Verfolger ein gutes Stück abgeschüttelt hatten.
Am nächsten Abend waren sie so erschöpft, daß sie selbst auf die Gefahr hin, gefaßt zu werden, halt machen mußten. Sie schliefen aneinander gelehnt im Sitzen vor einem winzigen Lagerfeuer, eine Baumfalle im Rücken.
In den darauf folgenden Tagen kamen sie langsam, aber stetig voran, ohne auch nur die Spur eines Verfolgers zu erkennen, was Jennsen aber kaum beruhigen konnte. Sie wußte, diese Männer würden niemals aufgeben.
Eine Reihe sonniger Tage erlaubte ihnen ein rasches Vorankommen, aber auch das war kaum ein Trost für Jennsen, da sie dabei unübersehbare Spuren hinterließen und die Soldaten, die ihnen auf den Fersen waren, ebenso schnell vorankamen.
Und dann verschlechterte sich das Wetter dramatisch. Fünf Tage lang kämpften sie sich unter nahezu schneesturmartigen Bedingungen weiter. Solange sie noch imstande waren, die Pfade und schmalen Straßen zu erkennen und einen Fuß vor den anderen zu setzen, konnten sie es sich nicht erlauben, halt zu machen, da Wind und Schnee ihre Spuren fast ebensoschnell verwischten, wie sie sie erzeugten. Jennsen hatte lange genug unter freiem Himmel gelebt, um zu wissen, daß man ihren Spuren unter diesen Witterungsbedingungen unmöglich folgen konnte. Zum ersten Mal keimte so etwas wie Hoffnung auf, sie könnten ihren Kopf vielleicht doch noch aus der Schlinge ziehen.
Eines Tages, es war später Nachmittag, als der Wind sich schließlich vollends legte und die Stille des Winters wieder Einkehr hielt, stießen sie auf eine Frau, die sich schweren Schrittes über eine dieser Straßen kämpfte. Während sie sich auf ihren Pferden näherten, sah Jennsen, daß sie ein schweres Bündel in den Armen trug. Trotz des Wetterumschwungs trieben noch dicke Schneeflocken in der Luft; die Sonne blinzelte durch einen orangefarbenen Riß in der Wolkendecke und verlieh dem grauen Tag einen seltsam goldenen Glanz.
Die Frau hörte sie kommen und trat zur Seite. Als sie sie eingeholt hatten, hob sie einen Arm.
»Könnt Ihr mir bitte helfen?«
Jennsen glaubte ein kleines, ganz in Decken gehülltes Kind in den Armen der Frau zu erkennen.
Der Ausdruck auf Sebastians Gesicht ließ Jennsen befürchten, daß er die Absicht hatte, weiterzureiten. Als Begründung würde er anführen, daß sie schlecht anhalten konnten, wenn ihnen Meuchler und womöglich sogar Zauberer Rahl auf den Fersen waren, dabei war Jennsen, zumindest im Augenblick, ziemlich zuversichtlich, daß sie ihre Häscher abgeschüttelt hatten.
Als Sebastian ihr einen verstohlenen Seitenblick zuwarf, wandte sie sich mit leiser Stimme an ihn, bevor er Gelegenheit hatte, etwas zu sagen. »Sieht ganz so aus, als hätte sich der Schöpfer dieser bedürftigen Frau angenommen, indem er uns schickt, um ihr zu helfen.«
Ob es ihre Worte waren, die Sebastian überzeugten, oder er es einfach nicht wagte, die Absichten des Schöpfers in Frage zu stellen, wußte Jennsen nicht, jedenfalls riß er sein Pferd herum und ließ es anhalten. Während er abstieg und die Zügel beider Pferde ergriff, ließ Jennsen sich von Rusty heruntergleiten. Sie mußte durch knietiefen Schnee stapfen, um zu der Frau zu gelangen.
Diese streckte ihnen ihr Bündel entgegen, offenbar in der Hoffnung, damit alles zu erklären, ihrem Aussehen nach hätte sie sich vermutlich auch vom Hüter persönlich helfen lassen. Jennsen schlug eine Ecke der Decke aus gebleichter Wolle zurück und erblickte einen kleinen Jungen von vielleicht drei oder vier Jahren mit fleckig rotem Gesicht. Er lag vollkommen still mit geschlossenen Augen da, denn er hatte hohes Fieber.
Jennsen befreite sie von ihrer Last. Die Frau, die etwa in Jennsens Alter war, wirkte ebenfalls erschöpft. Sie wich nicht von Jennsens Seite; tiefe Sorgenfalten zerfurchten ihr Gesicht.
»Ich weiß nicht, was er hat«, erklärte sie, den Tränen nahe. »Er ist ganz einfach plötzlich krank gewesen.«
»Wieso seid Ihr bei diesem Wetter unterwegs?«, fragte Sebastian.
»Mein Mann ist vor zwei Tagen auf die Jagd gegangen, und ich erwarte ihn frühestens in ein paar Tagen zurück. Ich konnte einfach nicht länger ohne Hilfe warten.«
»Aber was tut Ihr hier draußen?«, hakte Jennsen nach. »Wo wollt Ihr überhaupt hin?«
»Zu den Raug’Moss.«
»Den was?«, fragte Sebastian hinter Jennsens Rücken.
»Es sind
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