Die Säulen der Schöpfung - 13
Ohren wachsam aufgestellt, beobachtete sie; es hob den Kopf und begrüßte sie mit einem Wiehern. Rusty und Pete erwiderten die Begrüßung mit einem kurzen Schnauben.
Jennsen schob zwei Finger zwischen die Zähne und pfiff, während Rusty sich durch die Schneeverwehungen zu der kleinen Hütte am oberen Rand der Lichtung hinaufarbeitete, der einzigen, aus deren Schornstein Rauch aufstieg.
Als sie das Gebäude erreichte, wurde die Tür geöffnet; ein Mann, der sich gerade einen Leinenumhang überwarf, kam heraus, um sie zu begrüßen. Er war nicht alt, konnte also von daher der von ihr gesuchte Mann sein. Er hatte sich die Kapuze gegen die Kälte übergestreift, bevor sie einen vernünftigen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte.
»Wir haben einen kranken Jungen dabei«, sagte Jennsen, als der Mann Rustys Zügel ergriff. »Gehört Ihr zu den unter dem Namen Raug’Moss bekannten Heilern?«
Der Mann nickte nur. »Tragt ihn ins Haus.«
Die Mutter des Jungen hatte sich bereits von Sebastians Pferd heruntergleiten lassen und wartete neben Jennsen, um den Jungen in Empfang zu nehmen. »Dem Schöpfer sei Dank, daß Ihr heute hier seid.«
Der Heiler legte ihr zur Beruhigung die Hand auf den Rücken und schob die Frau sacht Richtung Tür, während er mit einem Neigen des Kopfes auf Sebastian deutete. »Ihr seid herzlich eingeladen, Eure Pferde zu meinem hinten in die Koppel zu stellen und anschließend ins Haus zu kommen.«
Sebastian bedankte sich bei ihm und führte die Pferde weg, während Jennsen den beiden anderen zur Tür folgte; sie hatte im schwindenden Licht noch immer keinen vernünftigen Blick auf das Gesicht des Mannes erhaschen können.
Es war der Hoffnung zu viel, das wußte sie, aber wenigstens war dieser Mann ein Raug’Moss und würde ihre Frage beantworten können.
33. Kapitel
Drinnen in der Hütte nahm eine große Feuerstelle aus rund geschliffenen Steinen den größten Teil der rechten Wand ein. Neben den beiden in die hinteren Zimmer führenden Türdurchbrüchen hingen Vorhänge aus grobem Sackleinen. Auf dem roh behauenen Kaminsims stand, wie auch auf dem derben Bohlentisch, eine Lampe, doch keine von beiden brannte. Im Kamin knisterten und knackten Eichenscheite, die für einen rauchgeschwängerten, aber einladenden Geruch und ein gemütliches, flackerndes Licht im Raum sorgten. Neben dem Feuer, an einem rußgeschwärzten Eisenarm, hing ein mit einem Deckel versehener Wasserkessel. Nach so langer Zeit draußen in Wind und Wetter fand Jennsen es drinnen fast zu warm.
Der Heiler legte den Jungen auf eine der Pritschen, die an der Wand gegenüber dem Kamin aufgereiht standen. Die Mutter ließ sich auf ein Knie hinunter und sah zu, wie er die Decke auseinanderschlug. Jennsen wandte sich ab und ließ den Blick beiläufig durch die Hütte wandern, um sich zu vergewissern, daß dort keine unliebsamen Überraschungen lauerten. Aus den Kaminen der anderen Hütten war kein Rauch aufgestiegen, und sie hatte auch keine Spuren im frischen Schnee gesehen, was aber nicht bedeuten mußte, daß die anderen Hütten unbewohnt waren.
Jennsen schlenderte durch den Raum, vorbei an dem auf Schrägen aufgebockten Tisch in der Mitte, um sich die Hände am Kamin zu wärmen, was ihr Gelegenheit gab, einen Blick in die beiden nach hinten hinaus gelegenen Zimmer zu werfen. Beide waren winzig und enthielten nur eine Schlafpritsche sowie ein paar an Haken aufgehängte Kleiderstücke – außer ihnen befand sich also niemand in der Hütte. Zwischen den beiden Türen standen einfache Schränke aus Fichtenholz.
Während Jennsen ihre Hände über dem Feuer wärmte und die Mutter des Jungen ihm leise ein Schlaflied sang, eilte der Heiler zu einem der Schränke, dem er mehrere tönerne Gefäße entnahm.
»Holt Ihr bitte Feuer für die Lampe?«, bat er, während er seinen Arm voll Utensilien auf dem Tisch ablud.
Jennsen brach einen langen Fidibus von einem der an der Seite aufgeschichteten Scheite ab und hielt ihn in die lodernden Flammen, bis er Feuer fing. Während sie die Lampe anzündete und anschließend den Glaskolben wieder darüberstülpte, entnahm er mehreren der Gefäße eine Prise feinen Pulvers und gab dieses in ein weißes Schälchen.
»Wie geht es dem Jungen?«, erkundigte sie sich im Flüsterton.
Er warf ihr quer durch den Raum einen Blick zu. »Nicht gut.«
»Kann ich Euch irgendwie helfen?«, erkundigte sich Jennsen, nachdem sie den Docht eingestellt hatte.
Er zog den Korken aus einem der Gefäße.
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