Die Säulen der Schöpfung - 13
in seine Träume, und Oba warf sich unruhig hin und her. Aber wie er sich auch drehte und wendete, sie schienen ihm überallhin zu folgen, und er fand einfach keinen rechten Schlaf.
Kurz nach Einsetzen der Morgendämmerung war es mit Schlafen endgültig vorbei.
Er lag in Altheas Bettstatt – die während der Nacht ein Stück gewandert war. An der Stelle, wo ihr Strohsack gelegen hatte, entdeckte er eine lose Bodendiele. Oba runzelte argwöhnisch die Stirn. Eine genauere Untersuchung ergab, daß die Planke in der Mitte mit Zapfen versehen war, damit sie sich kippen ließ.
Vorsichtig drückte er das eingesunkene Ende tiefer nach unten, so daß das andere Ende der Diele angehoben wurde. In dem Hohlraum unter dem Dielenbrett stand eine Holzkassette. Er hob sie heraus und versuchte sie zu öffnen, doch sie war verriegelt; da es weder ein Schlüsselloch noch einen auf den ersten Blick erkennbaren Deckel gab, war sie vermutlich nur mit Hilfe eines Tricks zu öffnen. Die Kassette war schwer. Als er sie schüttelte, drang nur ein gedämpftes Geräusch nach außen. Möglicherweise diente sie bloß als beschwerte Waffe für die verkrüppelte Frau.
Die Kassette in seinen kräftigen Händen, schleppte Oba sich hinüber zur Werkbank, ließ sich auf dem Hocker nieder und beugte sich darüber. Gerade wollte er einen Meißel und einen Hammer aussuchen, als er bemerkte, daß die Hexenmeisterin noch immer drüben im anderen Zimmer auf dem Fußboden lag und ihn anschaute.
»Was ist in der Kassette?«, rief er zu ihr hinüber.
Natürlich antwortete sie nicht; sie hatte nicht die geringste Absicht, sich kooperativ zu zeigen. Wäre sie daran interessiert gewesen, ihm zu helfen, hatte sie alle seine Fragen beantwortet, statt gleich nach der Verwandlung ihres Steins in Asche tot umzufallen. Schon beim Gedanken daran überlief es ihn eiskalt. Irgend etwas an der ganzen Begegnung war so verlaufen, daß er nur ungern daran zurückdachte.
Oba versuchte die Kassette mit Hilfe des Meißels aufzustemmen. Er probierte jede Fuge, doch sie wollte sich partout nicht öffnen lassen. Er hämmerte mit dem Holzhammer darauf herum, mit dem einzigen Erfolg, daß der Hammergriff abbrach.
Aber er war fest entschlossen, einen Blick in das Innere der Kassette zu werfen, und wählte deshalb einen feineren Meißel sowie einen anderen Holzhammer aus. Mit einiger Mühe zwängte er die scharfe Metallklinge in der Nähe des Randes in eine längsseitig verlaufende Fuge. Der Schweiß tropfte ihm von der Nase, als er vor Anstrengung ächzend auf das Ende des Meißelgriffs einhämmerte und versuchte, die Fuge ein wenig zu weiten. Und dann zersplitterte das Holz völlig überraschend mit einem lauten Knall. Die Kassette zerbrach, und heraus strömte, den Eingeweiden eines Karpfens gleich, eine wahre Flut aus Gold- und Silbermünzen. Oba stand da und starrte auf den glitzernden Segen. Die Kassette hatte nur deswegen nicht gerasselt, weil sie bis zum Rand gefüllt gewesen war! Vor ihm lag ein Vermögen – ein echtes Vermögen.
Also, wenn das keine Überraschung war.
Es mußte zwanzigmal so viel Gold sein, wie ihm dieser kleine hinterhältige Gauner Clovis gestohlen hatte. Oba hatte sich von diesem feigen kleinen Dieb bereits in Not und Armut gestürzt gesehen, und jetzt stellte sich heraus, daß er reicher war als je zuvor – reicher als selbst in seinen kühnsten Träumen. Er war tatsächlich unbesiegbar. In den Schubladen der Werkbank fand er in Beuteln aufbewahrtes Werkzeug; es gab drei recht hübsche Lederbeutel, die fein gearbeitete Kehlhobel enthielten. Die Lederbeutel sollten vermutlich verhindern, daß die scharfen Kanten der Hobel schartig und stumpf wurden. Ein Stoffbeutel enthielt einen Satz Stechzirkel, ein anderer Kolophonium, wieder ein anderer eine Reihe einzelner Werkzeuge. Altheas Ehemann schien ein geradezu pedantisch ordentlicher Mensch zu sein; vermutlich hatte ihn das Leben mit seiner Sumpfblüte in den Wahnsinn getrieben.
Oba wischte sich den Schweiß aus den Augen, schob die Goldmünzen in der Mitte der Werkbank zusammen und verteilte sie auf genau abgezählte, gleich große Haufen, damit er genau wußte, wie viel Geld er eingenommen hatte.
Mit dem Abzählen fertig, füllte er die Leder- und Stoffbeutel und steckte sich in jede Tasche einen. Sicherheitshalber befestigte er jeden Beutel mit zwei in entgegengesetzte Richtungen zu unterschiedlichen Gürtelschlaufen führenden Schnüren. Um jedes Bein band er sich einen kleineren Beutel, so
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