Die Säulen der Schöpfung - 13
mich sicherer fühlen als hier, eingesperrt in einem Zimmer. Damit wollte ich nicht sagen …«
»Ich weiß schon, was Ihr damit sagen wolltet.« Sebastians Lächeln zeigte sich auch in seinen blauen Augen. »Ein Dach über dem Kopf wird Euch gut tun, die Nacht wird mit Sicherheit bitterkalt. Und Betty ist im Stall ebenfalls besser untergebracht.«
Der Mann, der den Stall betrieb, hatte ein wenig überrascht auf die Frage reagiert, ob er eine Ziege über Nacht einstellen könne, aber da Pferde meist die Gesellschaft von Ziegen mögen, hatte er sich bereit erklärt, sie aufzunehmen.
In der allerersten Nacht hatte Betty ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet. Wenn Jennsen nicht ein trockenes Plätzchen unter einem Felsvorsprung gefunden hätte, hätte Sebastian mit seinem Fieber vermutlich nicht überlebt. Der hintere Teil des schmalen Einschnitts unter dem Überhang hatte sich zu einem engen Winkel verjüngt, war für die beiden aber gerade groß genug gewesen. Jennsen hatte Balsamtannenund Föhrenzweige abgeschnitten, um die Mulde damit auszulegen, damit der Stein ihnen nicht die Körperwärme entziehen konnte. Betty hatte ihren Körper eng an sie geschmiegt, die Kälte ferngehalten und ihre Wärme abgegeben – und ihnen so ein trockenes, warmes Nachtlager beschert.
Die ganze lange, elende Nacht hindurch hatte Jennsen still vor sich hin geweint. Wenigstens war sie erleichtert gewesen, daß Sebastian, fieberkrank, wie er war, etwas Schlaf gefunden hatte. Am nächsten Morgen, der den ersten Tag in Jennsens trostlosem neuen Leben ohne ihre Mutter ankündigte, war sein Fieber zurückgegangen.
Die Vorstellung, daß sie die Leiche ihrer Mutter dort am Haus ganz allein zurückgelassen hatte, verfolgte Jennsen unentwegt; die Erinnerung an den grauenerregenden Anblick verursachte ihr Alpträume. Der Tod ihrer Mutter löste bei ihr eine nicht enden wollende Flut von Tränen aus und ließ sie vor Kummer fast zusammenbrechen. Das Leben erschien ihr traurig und bedeutungslos.
Aber Sebastian und Jennsen waren entkommen, sie hatten überlebt. Dieser instinktive Selbsterhaltungstrieb und das Wissen um alles, was ihre Mutter zur Sicherung ihres Überlebens unternommen hatte, hielt sie aufrecht.
»Wir sollten etwas zu Abend essen«, schlug Sebastian vor. »Es gibt Lammeintopf. Anschließend solltet Ihr Euch einmal richtig in einem warmen Bett ausschlafen, bevor wir diese alte Bekannte von Euch aufsuchen. Ich werde Wache halten, solange Ihr schlaft.«
Jennsen schüttelte den Kopf. »Nein. Gehen wir sie gleich besuchen, schlafen können wir auch später noch.« Sie hatte Leute den sämigen Eintopf aus hölzernen Schalen löffeln sehen; der Gedanke an Essen hatte für sie nichts Verlockendes.
Sebastian musterte ihren Gesichtsausdruck und kam zu dem Schluß, daß er es ihr nicht würde ausreden können; also leerte er seinen Krug und stellte ihn auf den Tresen. »Es ist nicht weit. Wir befinden uns auf der richtigen Seite der Ortschaft.«
Draußen, in der aufkommenden Dunkelheit, fragte sie, »Warum wolltet Ihr eigentlich ausgerechnet hier in diesem Gasthaus absteigen? Es gab doch andere, viel nettere Wirtshäuser, wo die Leute nicht so … ungebildet wirkten.«
Seine blauen Augen strichen suchend über die Gebäude, die dunklen Türeingänge und die engen Gassen hinweg, während er das Heft seines Schwertes unter dem Umhang ertastete. »Ungebildete Leute stellen weniger Fragen, erst recht nicht die Sorte Fragen, auf die wir keine Antwort geben wollen.«
Er kam ihr vor wie ein Mann, der es gewohnt war, ausgefragt zu werden.
Mit kleinen Schritten tastete sie sich an der schmalen Furche einer hart gefrorenen Fahrspur entlang und folgte ihr die Straße hinunter zum Haus der Frau, einer Frau, an die Jennsen sich nur verschwommen erinnerte; dennoch klammerte sie sich fest an die Hoffnung, daß diese Frau ihnen würde helfen können. Ihre Mutter hatte sicherlich einen Grund gehabt, sie nicht wieder aufzusuchen, aber Jennsen wußte nicht, was sie sonst versuchen sollte, als eben jene Frau um Hilfe zu bitten.
Nach dem Tod ihrer Mutter war Jennsen auf Hilfe angewiesen, denn die anderen drei Angehörigen des Quadrons waren ihr gewiß längst auf den Fersen. Fünf Tote, was besagte, daß es mindestens zwei Quadronen gewesen sein mußten. Gut möglich, daß es mehr waren, aber selbst wenn nicht, würden es vermutlich schon bald mehr sein.
Sie hatten fliehen können, weil sie den versteckten Pfad benutzt hatten, der von ihrem Haus
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