Die Säulen der Schöpfung - 13
fühlte, als sei er nichts weiter als ein Tier. Es war erniedrigend.
Er hatte jedoch von anderen erzählen hören, die den Zorn der Hexenmeisterin erregt und ein weitaus schlimmeres Schicksal erlitten hatten – Fieberschübe, Blindheit, einen quälend langsamen Tod. Ein Mann hatte den Verstand verloren und war nackt in den Sumpf gerannt; man fand ihn von Schlangen zerbissen und tot, völlig aufgedunsen und violett angelaufen zwischen halb vermoderten Wasserpflanzen treibend. Oba konnte sich nicht vorstellen, was der Mann getan haben mochte, daß er ein solches Schicksal durch die Hexenmeisterin verdient hatte. Er hätte eben klüger sein und dem zänkischen alten Weib gegenüber mehr Vorsicht walten lassen müssen.
Manchmal verfolgten Oba die Dinge, die sie ihm mit ihrer Magie ohne Zweifel antun konnte, bis in seine Alpträume. Er stellte sich vor, Lathea könnte ihn aufgrund ihrer magischen Kräfte mit tausend Stichen durchbohren oder ihm gar das Fleisch von den Knochen reißen, ihm die Augen im Kopf verdampfen oder seine Zunge so weit anschwellen lassen, bis er würgend und hustend langsam und qualvoll daran erstickte.
Mit hastigen Schritten eilte er über den Pfad. Je eher er die Sache anging, desto schneller hätte er sie hinter sich. Das hatte Oba inzwischen gelernt.
Beim Haus angelangt, klopfte er an und rief, »Ich bin’s, Oba Schalk. Meine Mutter schickt mich wegen ihrer Medizin.«
Schließlich öffnete sich die Tür einen Spalt weit, so daß Lathea zu ihm herausspähen konnte. Er fand, als Hexenmeisterin sollte sie ihn eigentlich sehen können, ohne vorher die Tür zu öffnen. Manchmal, wenn jemand vorbeikam, während er darauf wartete, daß Lathea ihre Arzneien zusammenmischte, öffnete sie ganz einfach die Tür. Aber wenn Oba kam, schaute sie jedes Mal erst nach, um sich zu vergewissern, daß er es war.
»Oba.« Der Verdruß über das Wiedersehen war ihrer Stimme ebenso anzumerken wie ihrem Gesichtsausdruck.
Die Tür ging auf, um ihn einzulassen. Vorsichtig, voller Respekt, trat Oba ein. Er sah sich um, obwohl er das Haus gut kannte, sorgfältig darauf bedacht, ihr gegenüber nicht zu vorlaut aufzutreten; sie dagegen hegte ihm gegenüber nicht die geringste Angst und drängte ihn mit einem Klaps auf die Schulter, weiter ins Zimmer zu treten, damit sie genug Platz hatte, die Tür zu schließen.
»Wieder mal die Knie deiner Mutter, ja?«, erkundigte sich die Hexenmeisterin.
Oba nickte, den Blick starr auf den Boden gerichtet. »Sie sagt, sie tun ihr weh, und sie hatte gern etwas von Eurer Medizin.« Er wußte, daß er ihr den Rest nicht vorenthalten durfte. »Sie bittet Euch … ihr auch für mich etwas mitzugeben.«
Lathea lächelte auf die ihr eigene, durchtriebene Art. »Etwas für dich, Oba?«
Oba war absolut sicher, daß sie ganz genau wußte, was er meinte. Es gab überhaupt nur zwei Heilmittel, derentwegen er sie jemals aufsuchte, eines für seine Mutter und das andere, das für ihn bestimmt war. Aber es gefiel ihr, ihn zu zwingen, es auszusprechen. Die Frau war gemein wie Zahnschmerzen.
»Und eine Arznei für mich, hat Mama gesagt.«
Ihr Gesicht kam näher, und sie linste zu ihm hoch. »Eine Arznei gegen Schlechtigkeit?« Ihre Stimme troff vor Spott. »Ist es das, Oba? Ist es das, was du für Mutter Schalk holen sollst?«
Er räusperte sich und nickte. Ihr Lächeln gab ihm das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein, also senkte er den Blick wieder zum Boden.
Latheas Blick verweilte auf ihm, und er fragte sich, was in ihrem gescheiten Kopf vorgehen mochte, welche verschlagenen Gedanken und finsteren Machenschaften dort entstanden. Schließlich entfernte sie sich, um die Zutaten zu holen, die sie in dem hohen Schrank aufbewahrte; die grobe Fichtenholztür knarrte, als sie aufgezogen wurde. Lathea legte ein paar Fläschchen in ihre Armbeuge und trug sie zum Tisch in der Mitte des Raumes.
»Sie gibt niemals auf, was Oba?« Ihre Stimme war tonlos geworden, so als spräche sie zu sich selbst. »Sie versucht es immer wieder, obwohl sich an dem, was ist, dadurch niemals etwas ändern wird.«
Oba.
Eine Öllampe auf dem von Schrägen gestützten Tisch beleuchtete die Fläschchen, als sie eines nach dem anderen dort abstellte. Lathea brütete irgend etwas aus – wahrscheinlich, welch abscheuliches Gebräu sie ihm diesmal zusammenmischen könnte, in welch ekelhaften Zustand sie ihn versetzen sollte, um ihn von seiner allgegenwärtigen Verdorbenheit zu erlösen.
Die Eichenscheite im Kamin
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