Die Säulen der Schöpfung - 13
einem Ausdruck des Entsetzens.
Oba folgte dem verhaßten Mr. Tuchmann hinunter zum Boden. Die beiden hatten viel zu erledigen, aber harte Arbeit hatte Oba noch nie gescheut. Zuallererst galt es, sich dieses widerspenstigen kraushaarigen Schnüfflers zu entledigen, danach war die Frage seines Wagens zu klären. Wahrscheinlich würden irgendwelche Leute auftauchen, um nach ihm zu suchen. Obas Leben begann kompliziert zu werden.
Im Grunde hatte Oba überhaupt nichts gegen Mr. Tuchmann – trotz seines unverschämten und rechthaberischen Gebarens. Schuld war allein diese widerwärtige Hexenmeisterin, die noch stets alles daransetzte, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Wahrscheinlich hatte sie aus dem Jenseits in der Unterwelt erst ihrer Mutter und dann Mr. Tuchmann eine Nachricht zukommen lassen, dieses Miststück.
Und das alles nur, weil er jetzt ein bedeutender Mann war, daran bestand für ihn kein Zweifel.
Vermutlich war es an der Zeit, Verschiedenes zu ändern. Oba konnte unmöglich hier bleiben und zulassen, daß ständig irgendwelche Leute vorbeischauten und ihm mit ihrer Fragerei den Nerv töteten. Er war ohnehin viel zu bedeutend, um sich länger an diesem nichtswürdigen Ort aufzuhalten.
Ächzend unternahm Mr. Tuchmann einen aussichtslosen Fluchtversuch. Höchste Zeit, befand Oba, daß dieser erbärmliche Witwer sich beim Hüter der Unterwelt zu seiner geisteskranken Mutter und der widerwärtigen Hexenmeisterin gesellte.
Nun endlich war der Augenblick gekommen, Oba konnte sein bedeutendes Leben als neuer Mensch selbst in die Hände nehmen und sich an interessantere Orte begeben.
Im selben Moment, als ihm klar wurde, daß er die Scheune nie wieder würde betreten, nie wieder den gefrorenen Misthaufen würde sehen müssen, den er – der unablässigen Nörgelei seiner Mutter zum Trotz – nicht mit der Schaufel hatte entfernen können, fiel ihm ein, daß er im Handumdrehen damit hätte fertig sein können, wenn er stattdessen die Breithacke benutzt hätte. Also, wenn das kein Ding war.
14. Kapitel
Mit einer spielerischen, gleichwohl makellos präzisen Drehung seines Handgelenks nahm Friedrich Gilder ein Stück Blattgold auf die feinen Härchen seiner Bürste und trug es auf. Das Gold, so leicht, daß es auf dem zartesten Lufthauch zu schweben vermochte, schmiegte sich wie durch Magie auf den Gipsgrund. Konzentriert über seine Werkbank gebeugt, benutzte Friedrich einen Bausch aus Schafwolle, um behutsam – sie dabei auf etwaige Fehler untersuchend – über die frisch vergoldete Oberfläche der kleinen, stilisierten Schnitzerei eines Vogels zu reiben.
Draußen tröpfelte der Regen gegen die Fensterscheiben. Obwohl erst Mittag, war es unter den gemächlich dahinziehenden, gelegentlich einen Schauer bringenden Wolken so düster, als dämmerte es bereits.
Friedrich sah auf, schaute von seinem Arbeitsplatz im Hinterzimmer durch die Türöffnung in den eigentlichen Wohnraum und beobachtete seine Frau, die mit vertrauten Bewegungen ihre Steine über die Huldigung streute. Er hatte die Linien ihrer Huldigung vor vielen Jahren vergoldet – den achtstrahligen Stern innerhalb eines Kreises, der von einem Quadrat mit einem weiteren umliegenden Kreis umschlossen wurde –, natürlich erst, nachdem sie alles ganz präzise vorgezeichnet hatte. Hätte er sie gezeichnet, wäre die Huldigung unbrauchbar gewesen, denn nur wer die Gabe besaß, war fähig, eine echte Huldigung zu zeichnen.
Es bereitete ihm Freude, alles in seiner Macht stehende zu tun, um ihr Leben ein wenig schöner zu gestalten, schließlich war sie es, die sein Leben lebenswert machte. Seiner Ansicht nach konnte nur der Schöpfer selbst ihrem Lächeln diesen goldenen Glanz verliehen haben.
Friedrich sah auch, wie die Frau, die sich wegen einer Weissagung bis zu ihrem Haus gewagt hatte, sich erwartungsvoll vorbeugte, um ganz gefesselt die Entwicklung ihres Schicksals zu verfolgen.
Diese Frau, mittleren Alters und verwitwet, war eine sympathische Person, die Althea bereits zweimal aufgesucht hatte, das lag jedoch einige Jahre zurück. Ganz in seine Arbeit versunken, hatte er zerstreut zugehört, wie sie Althea von ihren erwachsenen Kindern erzählte, die allesamt verheiratet waren und ganz in ihrer Nähe lebten, und daß ihr erstes Enkelkind unterwegs sei. Nun aber war es kein Kind, sondern der Fall der Steine, dem ihre ganze Aufmerksamkeit galt.
»Wieder?«, rief sie. Es war weniger eine Frage als vielmehr ein Ausdruck der Verblüffung. »Jetzt
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