Die Säulen des Feuers
kamen. Körbe mit Äpfeln und Kartoffeln fielen ihnen aus den Händen, und die Früchte hüpften ihr auf dem Pflaster nach. Alte Weiber brüllten ihr nach, doch Moria tauchte in eine Gasse, in der sie sich auskannte, rannte durch Pfützen, und der Dreck spritzte zu ihren Satinröcken und den seidenen Unterröcken hoch, und sie atmete heftig mit unverschnürter Brust.
Sie erreichte das alte Lagerhaus. Hoffentlich war Haught hier. Sie warf sich gegen die Tür, Blut tropfte auf die Stufe, hämmerte mit beiden Fäusten. »Haught! Haught! Bitte sei hier …«
Die Tür öffnete sich nach innen. Sie starrte auf die Augenklappe des Toten und würgte einen Angstschrei ab.
»Moria!« sagte Stilcho. Er faßte sie an den Armen, zog sie über die Schwelle in die Dunkelheit, wo Haught wartete, hier in dieser einzigen Zuflucht, die sie kannten, hier an diesem Ort, zu dem sie sich retten sollte, wie Haught ihr geraten hatte, wenn sie je fliehen mußte. Er war hier!
Doch er hatte sich verändert, war so finster wie niemals zuvor, daß sie sich an Stilchos toten Arm klammerte und sich an ihn preßte, aus Angst vor dem Blick, mit dem Haught sie bedachte.
»SIE«, sagte Moria und deutete hügelauf zum Haus, »SIE …«
Erst da wurde ihr bewußt, daß sie halbnackt aus dem Bett gekommen war, in dem sie einen anderen geliebt hatte, und daß es Wut war, die Haughts Gesicht so verzerrte.
»Was ist passiert?« fragte Haught mit ruhiger, aber harter Stimme.
Sie mußte es ihm gestehen. Ischades Ärger konnte ihr Leben kosten. Ihr aller Leben. »Tasfalen«, sagte sie. »Er – hat mich überrumpelt. SIE …«
Sie fühlte sich schwindelig. Nein! hörte sie Haught sagen, obwohl er den Mund nicht öffnete. Sie sah Tasfalen im Bett über sie gebeugt, sah Ischade als Schatten an der Tür, spürte ihre Panik aufs neue, doch diesmal war Haught dabei, blickte mit ihren Augen und liebkoste mit ihren Fingern Tasfalens Haut … Haughts Wut wurde immer gewaltiger, und sie glaubte, ihre Schläfen müßten bersten. »Ihr Götter!« schrie sie, »hör auf!« Stilcho schrie ebenfalls, er hatte die toten Arme um sie gelegt und hielt sie, als der Blutverlust aus der Wunde an ihrem Fuß ihren Beinen die Kraft raubte. Sie fiel, und Stilcho brüllte: »Ihr Götter, sie blutet, sie ist überall voll Blut! Um der Götter willen, Haught …«
»Narr!« sagte Haught, nahm ihren Arm und packte ihr Handgelenk so fest, daß die Hand taub wurde. Der Schmerz in ihrem Fuß wuchs, wurde zu Feuer, zu unerträglicher Qual, daß sie den Kopf zurückwarf und sie hinausschrie.
Der Braune galoppierte die Straße hinauf, und Reste von zertretenen Äpfeln und Kartoffeln flogen hoch, eine Schar Sklavinnen wichen ihm schreiend und fluchend aus, doch Straton drehte nicht einmal den Kopf. Er brauchte den Ring an seinem Finger gar nicht. Er fühlte es. Er fühlte das Ganze, die Lust strömte durch sein Blut und blendete seinen Blick, so daß ihm nur vage bewußt war, in welcher Straße er sich befand und welches Haus er erreicht hatte. Er rutschte aus dem Sattel, als der Braune auf dem Bürgersteig anhielt, und der Ruck, als seine Füße auf dem Boden aufsetzten, war körperliche Qual, ohne jegliche Lust, als würde der Körper einer Frau für ihn nie wieder Lust bergen, als hätte sich schon immer Schmerz als Genuß maskiert, und nun befand er sich auf der anderen Seite. Er stieg die Stufen hoch, drückte wild auf die Klinke und warf sich gegen die Tür, weil er erwartet hatte, daß sie verschlossen war.
Sie gab nach, schmetterte gegen die Wand. Eine fette Frau stand mit weit aufgerissenem Mund in der Halle. Er achtete überhaupt nicht auf sie, hob nur den Blick zur Treppe und dem Obergeschoß und nahm diesen Weg. Und er wußte genau, wohin er ihn führte, denn in diesem Moment gab es auf der ganzen Welt nur einen Zielpunkt für ihn. Er hielt sich am Geländer fest, blind in dem Sonnenschein, der durch ein hohes Fenster hereinfiel, und er spürte das Hämmern seines Blutes, als nähme er mit jedem Atemzug, wie die Staubkörnchen, die in dem Licht tanzten, ihre Gegenwart auf.
»Ischade!« schrie er. Ein Schrei wie von einem waidwunden Tier. »Ischade!«
Der Wald verharrte in unnatürlicher Stille. Janni blieb stehen, nachdem er sich wieder an den Rand geschlichen hatte, wo Sonnenschein und Wiese begannen. Zweifellos ging die Sonne bereits unter. Sie sank sehr schnell, und der Wind hatte sich gelegt. Er blickte auf den Bach, der ihn immer leitete – er war still. Das Wasser
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