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Die Säulen des Feuers

Titel: Die Säulen des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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existiert durch eine Unregelmäßigkeit im vollkommenen Nichts.
    Eine kleine Schwankung im Gleichlauf.
    Er drückte die Hand auf die Brust und spürte ein ungewohntes Hämmern. Zuerst empfand er es als Bedrohung, bis ihm bewußt wurde, daß es ein schwacher, unregelmäßiger Schlag in vollkommener Stille war. Sein eigenes Herz pochte mit Leben. Und er spürte es, weil es einen Moment lang absolut still gewesen war.
    »Jetzt weißt du es«, sagte Haught, »jetzt verstehst du, was ich will.« Haughts schlanke Hand berührte sein Gesicht, und Kälte lähmte ihn. »Vergiß es einstweilen, toter Mann. Bis ich dich brauche … Ich will mit dir reden, Stilcho. Nur einen Augenblick. Allein.«
    Stilcho blinzelte. Er sah nun mit dem lebenden Auge. Es war sein Feind Haught: ein Haught ganz ohne Bosheit; ein Haught, dessen Hand sanft auf seiner Schulter ruhte.
    »Ich habe dir Unrecht getan«, sagte Haught. »Das ist mir klar. Du mußt es verstehen, Stilcho – wir beide waren Opfer. Ich war deines, und du warst ihre Spielfigur. Jetzt verfüge ich über gewisse Macht, und nun bist du der Sklave. Ein erfreulicher Unterschied für mich, und ein bitterer für dich. Aber …« Die Hand bewegte sich sanft, und Wärme strahlte von ihr aus, die sich ausbreitete. »Doch er muß nicht bitter sein. Du bist ja kaum gestorben, Stilcho. Erde hat dich nie bedeckt, Feuer nie berührt. Bist nur aus dem Körper geschlüpft, und sie fing dich auf, noch ehe du einen Schritt über die Schwelle zur Hölle getan hast. Warst einen Atemzug später in deinem Körper zurück; und dein Fleisch – es ist fest, es blutet, wenn es verletzt wird. Es spürt die Schmerzen. Und den Grimm. Und die Angst …«
    »Hör auf …«
    »Und wenn deine Gebieterin dich will, reagiert dein Körper, wie der eines Mannes es soll – sag mir: spürt er auch das?«
    Stilcho versuchte seinen Arm loszureißen. Er gehorchte nicht. Die Lähmung schloß sich um seine Kehle und verhinderte den Schrei. Haughts Blick bannte ihn, und Stilchos Arm fiel bleiern an seine Seite.
    »Ich habe die Fäden, die dein Leben festhalten«, erklärte Haught. »Und ich verrate dir ein Geheimnis: sie hat nie soviel für dich getan, wie sie hätte tun können. Jetzt kann sie es nicht. Aber zuvor hätte sie es gekonnt. Die Kraft, die es vermocht hätte, verweht heute nacht im Wind, sinkt wie Staub nieder, vergeudet! Meinst du, sie hätte an dich gedacht? Meinst du, sie hätte sich gesagt – das könnte Stilcho helfen, könnte ihm das Leben zurückbringen? Nein, daran hat sie nie gedacht!«
    Lügner! dachte Stilcho und kämpfte gegen die verführerische Stimme an. Aber es fiel schwer, die Hand anzuzweifeln, die die Fäden seiner Existenz hielt. Lügner – nicht daß er glaubte, Ischade habe je an ihn gedacht, nein, das erwartete er nicht; aber er bezweifelte, daß es je eine Chance der Art gegeben hatte, wie Haugh behauptete.
    »Es gab durchaus eine«, versicherte ihm Haught sanft, und etwas flatterte und wogte durch den Vorhang seines Geistes. »Es gab eine, und es gibt sie immer noch. Sag mir, Stilcho – ein Wort zwischen Sklave und Exsklave –, gefällt dir dieser Zustand? Du schleppst dich zur Hölle und zurück, nur um dir deinen dünnen Lebensfaden zu erhalten, und du kriechst wie ein geschlagener Hund, weil nicht einmal der Tod dich vor ihr schützt, und dein Dasein ist abrupt zu Ende, wenn sie dich vergißt, wie sie die anderen vergessen hat. Aber wie sieht es aus, wenn es eine andere Lebensquelle gäbe? Wie, wenn jemand anderes dich auffängt, wenn sie dich fallen läßt? Begreifst du, welche Freiheit das für dich bedeuten würde? Zum erstenmal, seit du gestorben bist, armer Sklave, kannst du von Augenblick zu Augenblick wählen. Du kannst sagen – diesen Moment gehöre ich ihr, oder diesen Moment gehöre ich ihm. Und falls mir etwas zustoßen sollte, hättest du diese Wahl nicht mehr. Verstehst du?«
    Er spürte nun Wärme im ganzen Körper. Sein Herz schlug normal, und die Augenhöhle schmerzte wie von einem Stich, und er fühlte sich einen Moment lang schwindelig vor Kraft.
    Haught fing ihn auf, als sie schwand und die Flußkälte zurückkehrte. Stilcho fröstelte, es war ein ganz natürliches Frösteln: Haughts Gesicht vor ihm war bleich und schweißglitzernd. »Das«, krächzte Haught, »das könnte ich für dich tun, wenn ich stärker wäre.«
    Stilcho starrte ihn nur an. Sein lebendes Auge weinte Tränen, und das tote weinte Blut. Es war eine Verführung von solcher Heimtücke, wie

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