Die Saga vom Dunkelelf 1 - Der dritte Sohn
vermißt«, fuhr der Schüler fort, »eine Prinzessin des Hauses Baenre! Monster sind in den Tunneln gesehen worden!«
»Welche Art Monster?« fragte Hatch'net. Ein lautes, knallendes Geräusch wie der Klang zweier Steine, die gegenein-ander geschlagen werden, beantwortete seine Frage.
»Sichelschrecken!« signalisierte Hatch'net Drizzt neben ihm.
Drizzt hatte solche Bestien niemals gesehen, aber genug gehört, um zu verstehen, warum der Meister Hatch'net plötzlich zur stummen Zeichensprache übergegangen war. Sichelschrecken jagten mit Hilfe eines Gehörsinns, der bei ihnen stärker ausgeprägt war, als bei allen anderen Kreaturen des Unterreichs. Drizzt gab das Zeichen sofort an die anderen weiter, und sie warteten absolut ruhig auf Anweisungen des Meisters. Dies war die Situation, die zu bewältigen sie die letzten neun Jahre ihres Lebens geübt hatten, und nur der Schweiß in ihren Handflächen strafte die ruhige Bereitschaft dieser jungen Drowkrieger Lügen.
»Verdunkelungszauber werden die Sichelschrecken nicht vernichten«, signalisierte er seinen Truppen. »Und auch nicht diese.« Er zeigte auf die Armbrust in seiner Hand und den giftgetränkten Pfeil darin, eine übliche Angriffswaffe der Dunkelelfen.
Hatch'net legte die Armbrust zur Seite und zog sein schlankes Schwert aus der Scheide.
»Ihr müßt eine Lücke in der Knochenrüstung der Kreatur finden«, erinnerte er die anderen, »und Eure Waffe dort hindurch in das Fleisch stoßen.« Er tippte Drizzt auf die Schulter, und sie gingen gemeinsam los, während die anderen Schüler in einer Linie folgten.
Das Knallen hallte deutlich wider, war aber, da es von den Felswänden des Tunnels zurückgeworfen wurde, ein für die ihm nachjagenden Drow verwirrendes Fanal. Hatch'net ließ Drizzt führen und war beeindruckt davon, wie der Schüler schon sehr bald das Schema dieses Echorätsels erkannte. Drizzts Schritt war selbstbewußt, obwohl sich viele der anderen der Patrouille ängstlich umsahen und sich der Richtung oder der Entfernung der Gefahr nicht sicher waren.
Dann ließ sie ein einziger Laut, der durch den Lärm der knallenden Monster hindurchschnitt, wieder und wieder erklang und die Patrouille mit dem widerhallenden Wahnsinn eines erschreckenden Wimmerns umgab, wie angewurzelt stehenbleiben. Es war der Schrei eines Kindes.
»Die Prinzessin des Hauses Baenre!« signalisierte Hatch'net Drizzt. Der Meister begann seine Gruppen in Kampfformation zu bringen, aber Drizzt wartete nicht auf die Befehle. Der Schrei hatte ein Schaudern des Abscheus sein Rückgrat hinabgesandt, und als er wieder erklang, entzündete es zornige Feuer in seinen lavendelfarbenen Augen.
Drizzt rannte los, den Tunnel hinab und ließ sich von dem kalten Metall seiner Krummsäbel führen.
Hatch'net ordnete die Patrouille schnell, um ihm zu folgen. Er haßte den Gedanken, einen so fähigen Schüler wie Drizzt zu verlieren, aber er überlegte auch die Vorteile von Drizzts übereilter Handlung. Wenn die anderen den Besten ihrer Klasse bei einer unüberlegten Handlung sterben sehen würden, wäre das eine Lektion, die sie nicht so bald vergessen würden. Drizzt eilte um eine enge Biegung und eine gerade Fläche mit eng stehenden, zerbrochenen Mauern entlang. Er hörte jetzt kein Echo mehr, nur das gierige Knallen der wartenden Monster und die gedämpften Schreie des Kindes.
Seine hervorragenden Ohren nahmen die leisen Geräusche seiner Patrouille hinter ihm wahr, und er wußte, daß, wenn er sie hören konnte, sicherlich auch die Sichelschrecken dies konnten. Drizzt hielt die Leidenschaft und die Direktheit seines Handelns für richtig. Er kletterte auf einen Sims, der zehn Fuß über dem Boden verlief, und hoffte, daß er sich die ganze Länge des Ganges hinzöge. Als er um eine letzte Biegung glitt, konnte er die Hitze der Monstergestalten kaum durch die verschwommene Kälte ihrer knöchernen äußeren Skelette, Panzer, die in ihrer Temperatur fast dem sie umgebenden Gestein glichen, unterscheiden.
Er konnte fünf der riesigen Bestien erkennen, von denen sich zwei gegen das Gestein preßten und den Gang bewachten und drei andere weiter zurück in einer kleinen Sackgasse standen und mit einem - schreienden - Objekt spielten.
Drizzt sammelte seine ganze Kraft und schlich auf dem Sims weiter, wobei er alle List anwandte, die man ihm jemals für das Vorwärtskriechen im Wachdienst beigebracht hatte. Dann sah er die kindliche Prinzessin, die in einem Schutthaufen zu Füßen eines
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