Die Saga vom Dunkelelf 2 - Im Reich der Spinne
Oberflächenbewohner war der Tag die sichere Zeit, wenn das Licht die Mörder entlarvte. In Menzoberranzans ewiger Dunkelheit war der Tag der Dunkelelfen noch gefährlicher als die Nacht.
Drizzt wählte seinen Weg sorgfältig und näherte sich in weitem Bogen dem Pilzzaun des vornehmsten Hauses, der auch das Haus Hun'ett umschloß. Er traf mit keinem weiteren Gegner zusammen und erreichte kurze Zeit später die Sicherheit des Do'Urden-Anwesens. Er eilte ohne ein Wort der Erklärung durch das Tor und an den überraschten Kriegern vorbei und schob die Wachen unterhalb der Galerie zur Seite.
Das Haus war seltsam ruhig. Drizzt hatte erwartet, daß sie alle aufgeregt mit dem bevorstehenden Kampf beschäftigt sein würden. Er verschwendete keinen weiteren Gedanken an die unheimliche Stille und ging auf direktem Wege zum Übungsraum und Zaknafeins privaten Räumen.
Drizzt blieb außen vor der Felsentür des Übungsraumes stehen, die Hand fest um die Klinke des Tores geklammert. Was würde er seinem Vater vorschlagen? Daß sie die Stadt verlassen sollten? Er und Zaknafein auf den gefahrvollen Pfaden des Unterreichs, kämpfend, wenn es nötig war und der belastenden Schuld ihrer Existenz unter der Drowherrschaft entrinnend? Drizzt mochte den Gedanken, aber er war sich jetzt, wo er vor der Tür stand, nicht mehr so sicher, daß er Zak davon überzeugen konnte, einen solchen Weg einzuschlagen. Zak hätte schon früher gehen können, jederzeit während der Jahrhunderte seines Lebens, aber als Drizzt ihn gefragt hatte, warum er geblieben war, war die Hitze aus dem Gesicht des Waffenmeisters gewichen. Waren sie tatsächlich in dem Leben gefangen, das ihnen von der Oberin Malice und ihren üblen Kohorten geboten wurde?
Drizzt verzog das Gesicht und verscheuchte damit die Sorgen. Es hatte keinen Sinn, mit sich selbst zu argumentieren, wo Zak nur ein paar Schritte entfernt war.
Der Übungsraum lag genauso still wie der Rest des Hauses. Zu still. Drizzt hatte nicht erwartet, daß Zak dasein würde, aber auch nicht, daß sein Vater überhaupt nicht vorhanden war. Das Fluidum der Präsenz des Vaters fehlte.
Drizzt wußte, daß etwas nicht in Ordnung war, und mit jedem Schritt, den er auf Zaks Privattür zumachte, wurde er schneller, bis er regelrecht dorthin flüchtete. Er platzte ohne anzuklopfen hinein und war nicht überrascht, das Bett leer vorzufinden.
»Malice muß ihn losgeschickt haben, mich zu suchen«, überlegte Drizzt. »Verdammt, ich habe ihm Ärger bereitet!« Er wandte sich zum Gehen, aber etwas zog seinen Blick auf sich und ließ ihn bleiben - Zaks Schwertgürtel.
Niemals würde der Waffenmeister seine Räume verlassen haben, auch nicht, um Sicherheitsaufgaben innerhalb der Sicherheit des Hauses Do'Urden zu erledigen, ohne seine Schwerter dabeizuhaben. »Eure Waffe ist Euer zuverlässigster Begleiter«, hatte Zak Drizzt tausendmal belehrt. »Tragt sie immer bei Euch!«
»Haus Hun'ett?« flüsterte Drizzt und fragte sich, ob das rivalisierende Haus in der Nacht einen magischen Angriff gestartet haben mochte, während er draußen gegen Alton und Masoj gekämpft hatte. Das Anwesen lag jedoch friedlich da. Die Krieger hätten es sicherlich gewußt, wenn so etwas geschehen wäre.
Drizzt hob den Gürtel auf, um ihn zu untersuchen. Kein Blut und die Schnalle ordentlich gelöst. Kein Feind hatte ihn Zak entrissen. Der Beutel des Waffenmeisters lag daneben und war ebenfalls unbeschädigt.
»Was ist los?« fragte Drizzt laut. Er legte den Schwertgürtel wieder neben das Bett, schlang sich aber den Beutel um den Hals und wandte sich um, ohne zu wissen, wohin er als nächstes gehen sollte.
Noch bevor er durch die Tür gegangen war, wußte er, daß er nach dem Rest der Familie suchen mußte. Vielleicht würde dieses Rätsel um Zak dann geklärt werden.
Angst entsprang diesem Gedanken, als Drizzt den langen verzierten Gang zum Vorraum der Kapelle entlangeilte. Hatte Malice oder ein anderer von ihnen Zak Schaden zugefügt? Zu welchem Zweck? Diese Überlegung erschien Drizzt unlogisch, aber sie quälte ihn bei jedem Schritt, als ob eine Art sechster Sinn ihn warnen wollte. Noch immer gab es keinerlei Anzeichen von Leben.
Die verzierten Türen des Vorraums schwangen auf, magisch und leise - gerade als Drizzt die Hand gehoben hatte, um anzuklopfen. Er sah die Mutter Oberin als erste, die selbstgefällig auf ihrem Thron an der Rückseite des Raumes saß und einladend lächelte. Drizzts Unbehagen verringerte sich nicht, als er
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