Die Saga vom Dunkelelf 5 - In Acht und Bann
erholte. »Man sollte gut aussehen, wenn man den Herrn von Sundabar trifft.«
»Das sollte man in der Tat«, stimmte Taube eifrig zu. »Dennoch, alles, was ich tragen kann, seht Ihr vor Euch, lieber Fret, fleckig und beschmutzt von der Straße. Ich fürchte, ich werde in den Augen des Herrn von Sundabar keine gute Figur machen. Er und meine Schwester sind so gute Freunde geworden.« Jetzt war Taube an der Reihe, die Eingeschnappte zu spielen. Anscheinend verletzt, zog sie einen Schmollmund, und obwohl ihr Schwert viele Riesen in Fraß für die Geier verwandelt hatte, beherrschte die starke Waldläuferin dieses Spiel besser als die meisten.
»Was soll ich denn nur tun?« Sie neigte den Kopf, als sie dem Zwerg einen Blick zuwarf. »Vielleicht«, neckte sie ihn. »Wenn nur…«
Frets Gesicht erstrahlte bei dieser Anspielung.
»Nein«, sagte Taube und seufzte tief. »Niemals könnte ich Euch so zur Last fallen.«
Mit strahlenden Augen sprang Fret herum und klatschte in seine dicken Hände. »Doch, das könnt Ihr, Fräulein Falkenhand! Doch, das könnt Ihr!«
Taube biß sich auf die Lippen, um nicht wieder in ein beleidigendes Gelächter auszubrechen, als der aufgeregte Zwerg aus dem Zimmer rannte. Obwohl sie Fret oft neckte, war sie jederzeit bereit zuzugeben, dass sie den kleinen Zwerg liebte. Fret hatte viele Jahre in Silbrigmond, wo ihre Schwester regierte, verbracht und sich um die berühmte Bibliothek mehr als verdient gemacht. Fret war wirklich ein berühmter Weiser, der für seine ausführliche Untersuchung der Gebräuche unterschiedlicher Rassen, sowohl der guten wie der bösen, bekannt war, und ein Experte, was halbmenschliche Themenkreise anbelangte. Außerdem war er ein ausgezeichneter Komponist. Wie oft, fragte sich Taube in ehrlicher Demut, war sie auf einem Bergpfad entlanggeritten und hatte eine heitere Melodie gepfiffen, die genau von diesem Zwerg komponiert worden war?
»Lieber Fret«, murmelte die Waldläuferin vor sich hin, als der Zwerg wiederkam. Ein silbriges Kleid war über seinen Arm drapiert – aber sorgsam gefaltet, damit es nicht mit dem Boden in Berührung kam – erlesene Juwelen und ein Paar elegante Schuhe in der anderen Hand. Ein Dutzend Stecknadeln wurden von seinen spitzen Lippen gehalten, und ein Metermaß hing über seinem Ohr. Taube verbarg ihr Lächeln und beschloß, den Zwerg diese Auseinandersetzung gewinnen zu lassen. Auf Zehenspitzen würde sie in diesem silbrigen Gewand in Helm Zwergenfreunds Empfangshalle schweben, ein Bild der Damenhaftigkeit, und neben ihr der stolze und keuchende kleine Weise.
Dabei wusste Taube natürlich, dass die Schuhe ihre Füße malträtierten und dass das Gewand an einer Stelle zwickte, die sie nicht erreichen konnte. Soviel zu den Standesverpflichtungen, dachte Taube, als sie das Gewand und die anderen Dinge betrachtete. Doch als sie in Frets strahlendes Gesicht blickte, wusste sie, dass es die Mühe wert war.
Soviel zu den Verpflichtungen der Freundschaft, sinnierte sie.
Der Bauer war mehr als einen Tag geritten; der Anblick von Dunkelelfen hatte auf einfache Dorfbewohner oftmals so eine Auswirkung. In Maldobar hatte er zwei Pferde mitgenommen, von denen er das eine zwischen den beiden Städten hatte stehenlassen. Falls er Glück hatte, würde er das Pferd auf dem Rückweg wieder vorfinden. Das zweite Pferd, der prämierte Hengst des Bauern, wurde langsam müde. Dennoch hielt sich der Mann tief im Sattel und trieb das Roß an. Die Fackeln der Nachtwachen von Sundabar, hoch über den dicken Steinwänden der Stadt, waren jetzt zu sehen.
»Bleib stehen und sag deinen Namen!« rief ihm der Hauptmann der Torwachen zu, als er eine halbe Stunde später an der Stadtmauer auftauchte.
Taube stützte sich auf Fret, als sie Helms Kammerherr den langen und geschmückten Korridor zu dem Empfangszimmer hinunterfolgten. Die Waldläuferin konnte eine Brücke, die nur aus verknüpften Seilen bestand und keine Handführung hatte, überqueren; sie konnte mit ihrem Bogen mit tödlicher Zielsicherheit auf ein dahinstürmendes Pferd schießen und in voller Rüstung, mit Schwert und Schild in der Hand, auf einen Baum klettern. Aber sie konnte trotz aller Erfahrung und Beweglichkeit nicht in den verrückten Schuhen gehen, in die Fret ihre Füße gesteckt hatte.
»Und dieses Gewand«, flüsterte sie verzweifelt, denn sie wusste ganz genau, dass dieses unpraktische Kleidungsstück an sechs oder sieben Stellen reißen würde, wenn sie das Schwert schwingen
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