Die Saga vom Dunkelelf 6 - Der Hueter des Waldes
hatten.
Doch dieses Mal schien keiner etwas gesehen zu haben. Diejenigen, die nicht gerade an der Theke saßen, unterhielten sich lautstark.
»Nie im Leben!« knurrte ein Mann.
»Ich sage dir doch, daß ich ihn gesehen habe!« erwiderte der andere Mann. »Und ich habe die Wahrheit gesprochen!«
»Bei deinen Augen!« erwiderte der erste und setzte dem noch etwas drauf. »Du würdest ja nicht mal einen erkennen, wenn du direkt vor ihm stehst!« Einige andere Männer traten näher und drängten sich um die beiden.
»Ruhe!« ertönte eine Stimme. Ein Mann löste sich aus der Gruppe und zeigte direkt auf Roddy, der, weil er den Mann nicht erkannte, instinktiv nach Spalter, seiner altgedienten Axt, griff.
»Fragt McGristle!« rief der Mann. »Roddy McGristle. Er weiß über Dunkelelfen besser Bescheid als jeder andere.«
Und plötzlich redeten alle durcheinander, als sich die ganze Truppe, die wie ein rollender amorpher Klumpen aussah, zu Roddy hinüberschob. Roddy hatte Spalter wieder losgelassen und faltete die Hände auf dem Tisch.
»Ihr seid McGristle, nicht wahr?« fragte der Mann Roddy und zollte ihm ein gewisses Maß an Respekt.
»Könnte wohl sein«, erwiderte Roddy gelassen. Er suhlte sich in der Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte. Seit die Distelwolle-Familie ermordet aufgefunden worden war, hatte er es nicht mehr mit Menschen zu tun gehabt, die sich sehr für das interessierten, was er zu sagen hatte.
»Ach«, meldete sich irgendwo weiter hinten eine mürrische Stimme zu Wort. »Was weiß der schon über Dunkelelfen.«
Roddys Blick war so finster, daß die, die vorn standen, einen Schritt zurückwichen, und das gefiel ihm besonders gut. Er mochte das Gefühl; jetzt war er wieder wichtig, und man brachte ihm Respekt entgegen.
»Ein Dunkelelf hat meinen Hund getötet«, sagte er mürrisch. Er griff nach unten und riß den Kopf des alten, gelben Hundes hoch, damit man dessen Narben sehen konnte. »Und hat den hier am Kopf verletzt. Verdammter Dunkelelf«, sagte er bedächtig und zog langsam die Kapuze vom Kopf, »er hat mir das hier verpaßt.« Normalerweise versteckte er die verräterischen Narben, aber das Gemurmel und Seufzen der Gruppe klang heute in den Ohren des heruntergekommenen Kopfgeldjägers mehr als gut. Er drehte den Kopf zur Seite, damit sie alles richtig sehen konnten, und kostete die Reaktionen der Männer aus, solange es ihm möglich war.
»Schwarzhäutig mit einer weißen Mähne?« fragte ein kleiner, dickbäuchiger Mann, der an der Theke mit der Diskussion begonnen hatte, indem er seine eigene Geschichte über den Dunkelelf erzählt hatte.
»Muß wohl so sein, wenn es sich um einen Dunkelelf handelt«, brummte Roddy. Der Mann blickte sich triumphierend um.
»Genau das wollte ich Ihnen ja erzählen«, sagte er zu Roddy. »Sie behaupten, ich hätte einen dreckigen Elf oder vielleicht einen Ork gesehen, aber ich weiß ganz genau, daß es ein Drow gewesen ist.«
»Wenn man einen Dunkelelf sieht«, sagte Roddy mißmutig und bedächtig, als müsse er jedes Wort abwägen, »dann weiß man auch, daß man einen Drow gesehen hat. Und laßt doch die, die Eure Wort bezweifeln, losgehen und sich selbst einen Drow suchen. Dann kommen sie angekrochen und entschuldigen sich bei Euch!«
»Nun, ich habe einen Dunkelelf gesehen«, wiederholte der Mann. »Ich hatte mein Lager in Lauerwald aufgeschlagen, nördlich von Grunwald. War eine friedliche Nacht, so glaubte ich wenigstens, also legte ich noch ein paar Holzscheite nach, um mich vor dem kalten Wind zu schützen. Tja, und dann tauchte auf einmal dieser Fremde auf, ohne Warnung, ohne ein Wort zu sagen!«
Jeder Mann in der Gruppe sog die Worte in sich auf, die jetzt einen ganz anderen Eindruck hinterließen, nachdem der Fremde, der diese Dunkelelfnarben hatte, die Geschichte in gewisser Weise bestätigt hatte.
»Ohne ein Wort, ohne einen Ton von sich zu geben, nichts!« fuhr der dickbäuchige Mann fort. »Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, was mich irritierte, und so sagte ich zu ihm: »Was wollt Ihr?«
»>Ich suche nach einem Platz für mich und meinen Kameraden, an dem wir heute nacht unser Lager aufschlagen kön-nen<, antwortete er seelenruhig. Schien mir ganz vernünftig zu sein, aber die tief ins Gesicht gezogene Kapuze behagte mir immer noch nicht. >Dann nehmt Eure Kopfbedeckung herunter forderte ich ihn auf. >Ich liege hier nicht mit jemandem, dessen Gesicht ich nicht sehen kann.< Er dachte eine Minute über meine Worte
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