Die Saga vom Dunkelelf 6 - Der Hueter des Waldes
Wut verwandelten. Diejenigen, denen ich begegnete und die etwas offenherziger waren, sagten mir, daß ich verschwinden sollte; andere verscheuchten mich mit erhobenen Waffen. Zweimal war ich gezwungen, zu kämpfen, obwohl mir die Flucht gelang, ohne daß jemand schwer verletzt wurde.
Die kleinen Abschürfungen und Kratzer waren ein kleiner Preis, den ich zu bezahlen hatte. Mooshie hatte mich gebeten, nicht so wie er zu leben, und die Voraussage des alten Waldläufers hatte sich -wie immer - bewahrheitet. Auf meinen Reisen durch das Nordland fand ich etwas - Hoffnung? -, was ich nie gefunden hätte, wenn ich in der Abgeschiedenheit des Wäldchens geblieben wäre. Wann immer sich wieder ein Dorf am Horizont abzeichnete, beflügelte mich ein Hauch von Erwartung und beschleunigte meine Schritte. Eines Tages, dessen war ich mir sicher, würde man mich akzeptieren, und dann fand ich ein Zuhause.
Ich stellte mir vor, daß das ganz plötzlich geschehen würde. Ich würde vor einem Tor stehen, ein höfliches Grußwort aussprechen und mich als Dunkelelf zu erkennen geben. Aber selbst in meiner Phantasie ließ ich mich von der Realität beeinflussen, denn das Tor in meinen Träumen ging nicht weit auf, wenn ich näher kam. Dennoch gewährte man mir unter Bewachung Einfluß und eine Probezeit, wie damals in Blingdenstone, der Stadt der Swirfneblin. Viele Monate würde man mich mißtrauisch beobachten, aber schließlich würden sie meine Prinzipien erkennen und sie als das einordnen, was sie waren. Der Charakter einer Person würde mehr Gewicht haben als ihre Hautfarbe und der Ruf ihrer Ahnen.
Dieses phantastische Bild ging mir in den folgenden ]ahren immer wieder durch den Kopf. Jedes Wort einer jeden Begegnung in meiner Traumstadt war wie eine Litanei gegen die fortwährende Ablehnung. Das reichte natürlich nicht, aber da war ja noch Guenhwyvar, und jetzt gab es auch noch Mielikki.
Drizzt Do'Urden
Jahre und Meilen
Das Gasthaus »Zur Ernte« in Westbrücke war der bevorzugte Treffpunkt der Reisenden auf der Langstraße, die die beiden großen Städte im Norden, Tiefwasser und Mirabar, miteinander verband. Dort konnte man nicht nur zu einem vernünftigen Preis eine Übernachtungsmöglichkeit finden, sondern auch in Derrys Taverne essen, die gleich neben dem Gasthof lag. Die Taverne war dafür bekannt, daß man als Gast, und zwar egal, um welchen Wochentag es sich handelte, mit den unterschiedlichsten Abenteurern zusammentreffen konnte, die aus Luskan oder Sundabar kamen. Im Kamin brannte ein helles und warmes Feuer, die Getränke wurden mehr als großzügig ausgeschenkt, und die Geschichten, die in Derrys Taverne zum besten gegeben wurden, wurden in den verschiedenen Reichen immer und immer wieder erzählt.
Roddy hatte die Kapuze seines alten Reiseumhangs nicht heruntergenommen, denn er wollte sein vernarbtes Gesicht verbergen. Während er Hammelfleisch und Brot aß, saß sein alter, gelber Hund auf dem Boden neben ihm und knurrte. Hin und wieder warf Roddy ihm ein Stück Fleisch zu.
Der heißhungrige Kopfgeldjäger schaute nur selten von seinem Teller auf, aber er hatte den ganzen Saal dennoch mit seinen blutunterlaufenen Augen, die unter der Kapuze hervorblitzten, im Visier. Einige der grobschlächtigen Typen, die sich in dieser Nacht in Derrys Taverne aufhielten, kannte er, entweder persönlich oder vom Hörensagen, aber er traute ihnen nicht über den Weg, so wie sie ihm auch nicht trauten, wenn sie klug waren.
Ein großer Mann erkannte Roddys Hund, als er an dem Tisch vorbeikam, und er blieb stehen und wollte den Kopfgeldjäger begrüßen. Doch dann ging der Mann einfach weiter, ohne ein Wort zu sagen, denn er hatte den Eindruck, daß der schlechtgelaunte McGristle die Mühe nicht wert war. Keiner wußte so richtig, was in jenen Jahren in den Bergen in der Nähe von Maldobar geschehen war, aber Roddy war damals mit tiefen Wunden, körperlich und emotional, aufgetaucht. McGristle, der schon immer eigenbrötlerisch gewesen war, brummte mehr herum, als daß er sich unterhielt.
Roddy knabberte noch ein bißchen an dem Knochen, warf ihn dann seinem Hund zu und wischte sich die Hände an dem Umhang ab. Dabei zog er sich unabsichtlich die Kapuze vom Kopf, die seine gräßlichen Narben verdeckt hatte. Der Kopfgeldjäger zog sie schnell wieder hoch und schaute sich dabei hektisch um, ob ihn jemand gesehen hatte. Ein einziger angeekelter Blick hatte mehrere Männer das Leben gekostet, wenn sie Roddys Narben gesehen
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