Die Saga vom Dunkelelf 6 - Der Hueter des Waldes
Realitäten in der Welt draußen geschmälert worden. Immer wieder hatte Drizzt sich einem Dorf genähert, nur um mit harten Worten, Flüchen und gezogenen Waffen verscheucht zu werden. Und immer wieder hatte er das brüske Benehmen der anderen mit einem Achselzucken abgetan. Mit einer Waldläufereinstellung - und Drizzt war jetzt wirklich ein Waldläufer: So verhielt er sich, und so fühlte er tief im Herzen - akzeptierte er sein Los stoisch.
Doch die letzte Ablehnung hatte ihm gezeigt, daß seine Ausdauer nachließ. In Luskan, an der Schwertküste, war er auch abgewiesen worden, aber nicht von den Wachen, denn er hatte sich der Stadt gar nicht erst genähert. Seine eigene Furcht hatte ihn abgehalten, und das ängstigte ihn mehr als jedes Schwert, dem er sich bis jetzt hatte stellen müssen. Auf der Straße vor der Stadt war er den trauernden Mönchen begegnet, und diese Ausgestoßenen harten ihn aufgenommen, zwar vorsichtig, aber dennoch. Zwei aus der Gruppe hatten sich sogar vor Drizzts Füße geworfen und ihn angefleht, seinen >Dunkelelfterror< walten zu lassen, damit sie leiden konnten.
Während des Frühlings und Sommers hatte sich ihre Beziehung dahingehend entwickelt, daß Drizzt die Rolle des stillen Wächters übernahm, während die Mönche sich um ihr Betteln und Leiden kümmerten. Alles in allem war es ziemlich geschmacklos, und manchmal kam es sogar einer Gotteslästerung gleich, zumindest nach Ansicht des prinzipientreuen Dunkelelfs, aber Drizzt hatte keine andere Wahl.
Drizzt blickte starr in die lodernden Flammen und dachte über sein Schicksal nach. Da war immer noch Guenhwyvar, der seinem Ruf folgte, und er konnte sich auf seine Krummsäbel und seinen Bogen verlassen. Und jeden Tag sagte er sich wieder, daß er neben den ziemlich hilflosen Fanatikern auch Mielikki und seinem eigenen Herzen diente. Trotzdem konnte er den Mönchen nicht viel Respekt zollen, und seine Freunde waren sie auch nicht. Und während er sie so betrachtete, wie sie sich betrunken vollsabberten, wußte er auch, daß er niemals ihr Freund sein konnte.
»Schlagt mich! Haut mich!« rief einer der Mönche plötzlich. Dann rannte er zu dem Faß und stolperte über Drizzt, der ihn festhielt und aufrichtete.
»Setzt mich doch Eurem Dunkelelfzauber aus!« stotterte der dreckige, unrasierte Mönch, der kurz darauf zu Boden fiel.
Drizzt wandte sich kopfschüttelnd ab und umklammerte unbewußt die Onyxstatuette, die in seiner Tasche verstaut war. Diese Berührung hatte er dringend nötig, denn er brauchte das Gefühl, nicht ganz allein zu sein. Er lebte und trug unendlich viele und einsame Kämpfe aus, aber zufrieden war er damit noch lange nicht. Und vielleicht hatte er einen Platz gefunden, aber ein Zuhause nicht.
»Wie das Wäldchen ohne Montolio«, sinnierte der Dunkelelf. »Niemals ein Zuhause.«
»Habt Ihr etwas gesagt?« fragte ein beleibter Mönch, Bruder Matthäus, der auf ihn zukam, um seinen betrunkenen Kameraden zu holen. »Habt bitte Nachsicht mit Bruder Jankin, Freund. Ich fürchte, er hat zuviel gebechert.«
Drizzts hilfloses Lächeln deutete an, daß ihn das nicht scherte.
»Ich werde euch bis Mirabar begleiten«, führte Drizzt aus, »aber dann verlasse ich euch.«
Diese Worte trafen Bruder Matthäus, den Anführer, der das vernünftigste - und vielleicht auch ehrlichste - Mitglied der Sekte war, schwer.
»Verlassen?« fragte Matthäus betroffen.
»Hier ist nicht mein Platz«, erklärte Drizzt.
»Zehnstädte ist der Platz!« platzte Jankin heraus.
»Wenn Euch jemand beleidigt hat...«, sagte Matthäus zu Drizzt. Dem Betrunkenen schenkte er keine Beachtung.
»Nein, niemand«, erwiderte Drizzt und lächelte wieder. »In diesem Leben wartet noch mehr auf mich, Bruder Matthäus. Seid nicht böse, ich bitte Euch, aber ich werde gehen. Die Entscheidung ist mir wirklich nicht leichtgefallen.«
Matthäus dachte einen Augenblick über die Worte nach. »Wie es Euch beliebt«, sagte er dann, »aber könntet Ihr uns wenigstens noch durch den Tunnel nach Mirabar begleiten?«
»Zehnstädte!« wiederholte Jankin. »Das ist der Ort, an dem man leiden kann! Dort würde es Euch gefallen, Drow. Das Land der Gauner, wo ein Gauner seinen Platz finden kann!«
»Dort lauern des öfteren Schwerenöter in den dunklen Ecken, die sich nicht scheuen, unbewaffnete Mönche zu überfallen«, mischte Matthäus sich ein und schüttelte Jankin.
Drizzt sagte nichts, weil er über Jankins Worte nachdenken mußte. Aber jetzt war Jankin
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