Die Saga vom Dunkelelf 6 - Der Hueter des Waldes
den Tunnel.«
»Dreihundert Meilen«, warf der Mann, der Roddy zuerst erkannt hatte, ein und versuchte den aufgeregten Kopfgeldjäger zu beschwichtigen. Aber Roddy hörte kein Wort von dem, was er sagte. Mit seinem Hund im Schlepptau stürmte er aus Derrys Taverne und warf die Tür hinter sich zu. Die anderen blieben überrascht zurück und unterhielten sich leise.
»Es ist Drizzt gewesen, der Roddys Hund und sein Ohr auf dem Gewissen hat«, fuhr der Mann fort und wandte sich der Gruppe zu. Er kannte den Namen des fremden Drows zwar nicht, aber diesen Schluß hatte er aus Roddys Reaktion gezogen. Jetzt scharte sich die Gruppe um ihn, und jeder einzelne hielt den Atem an, so begierig waren sie, daß er ihnen die Geschichte von Roddy McGristle und dem rotäugigen Dunkelelf erzählte. Wie jeder ordentliche Gast in Derrys Taverne ließ sich der Mann durch den Mangel an wirklichem Wissen nicht davon abhalten, die Geschichte zu erzählen. Er hakte die Daumen in den Gürtel und legte los. Die beträchtlichen Lücken wurden mit allem geschlossen, was einigermaßen passend klang.
Hundertmal wurde in dieser Nacht aufgeatmet und in die Hände geklatscht. Die Männer waren zwischen Wertschätzung, Freude und Aufregung hin- und hergerissen. Aber Roddy McGristle und sein gelber Hund saßen schon lange auf ihrem Wagen, dessen Räder tiefe Furchen auf der schlammigen Landstraße hinterließen, und hörten von alledem nichts mehr.
»He - was - hast - du - vor?« beschwerte sich jemand, der sich im Sack hinter der Wagenbank aufhielt. Tephanis kroch heraus. »Warum - gehen - wir - weg?«
Roddy drehte sich um und wollte gerade zuschlagen, aber Tephanis hatte keine Schwierigkeiten, dem Arm des Kopfgeldjägers auszuweichen, obwohl er noch verschlafen war.
»Du hast mich angelogen, du Vetter eines Kobolds!« schimpfte Roddy. »Du hast mir erzählt, daß der Drow tot sei. Aber das ist er nicht! Er ist auf der Straße nach Mirabar, und ich werde ihn mir schnappen!«
»Mirabar?« rief Tephanis. »Zu - weit! Zu - weit!« Der Flinkling und McGristle waren letztes Frühjahr durch Mirabar gekommen. Tephanis hielt das für einen absolut gräßlichen Ort, voller mürrisch blickender Zwerge, Männern mit Habichtaugen und einem Wind, der für seinen Geschmack viel zu kalt war. »Im - Winter - müssen - wir - nach - Süden - gehen. Im - Süden - ist - es - warm!«
Roddys finsterer Blick brachte den Feengeist zum Schweigen. »Ich werde vergessen, was du mir angetan hast«, krächzte er, »falls wir den Dunkelelf finden.« Dann wandte er sich Tephanis zu, und der Feengeist kroch wieder in seinen Sack. Er fühlte sich scheußlich und fragte sich, ob Roddy McGristle das ganze Theater wert war.
Roddy fuhr tief gebeugt durch die Nacht, damit sein Pferd schneller vorankam, und sagte immer wieder dasselbe. »Sechs Jahre!«
Drizzt kauerte sich dicht an das Feuer, das aus einem alten Faß loderte, das die Gruppe gefunden hatte. Der Dunkelelf erlebte jetzt den siebten Winter auf der Oberflächenwelt, aber an die Kälte hatte er sich immer noch nicht gewöhnt. Er hatte ein paar Jahrzehnte - und sein Volk ein paar Jahrtausende - in dem warmen Unterreich verbracht, wo es keine Jahreszeiten gab. Und obwohl bis zum Winteranfang noch einige Zeit hin war, kündete doch ein frischer Wind, der von den höchsten Bergen herunterblies, davon, daß die kalte Jahreszeit bevorstand. Drizzt trug nur eine alte Decke, die dünn und zerrissen war, über seinen Kleidern, seinem Kettenhemd und seinem Waffengürtel.
Der Dunkelelf mußte lachen, als er bemerkte, daß seine Begleiter wetteiferten und zeterten, wer als nächster einen Schluck Wein aus der Flasche nehmen konnte, die sie erbettelt hatten, und wieviel der Vorgänger getrunken hatte. Drizzt saß jetzt allein am Feuer, denn die trauernden Mönche hielten sich nicht oft in seiner Nähe auf, wenn sie ihn auch nicht offensichtlich mieden. Drizzt akzeptierte ihr Verhalten und wußte, daß die Fanatiker seine Begleitung vor allem aus praktischen, wenn nicht gar aus religiösen Gründen schätzten. Einige Mitglieder der Gemeinschaft mochten es, wenn sie von den verschiedenen Monstern des Landes angegriffen wurden, aber die pragmatischeren unter ihnen freuten sich darüber, daß sie einen bewaffneten und fähigen Drow bei sich hatten, der ihnen Schutz bot.
Diese Verbindung konnte Drizzt hinnehmen, wenn sie ihn auch nicht erfüllte. Vor Jahren hatte er Mooshies Wäldchen voller Hoffnung verlassen, aber die war durch die
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