Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
Schal, den er um seine Mütze gebunden hatte, um seine Ohren flatterte. »Der Schnee ist zu tief – die Räder drehen durch. «
Auf Kufen umstellen? Das klang merkwürdig. Verwundert beobachtete sie, wie er die Räder mit Riemen löste und zwei Kufen abnahm, die längs des Wagens befestigt waren.
»Ich helfe mit«, sagte Silje und sprang in den Schnee. »Nein, Sol, du nicht, der Schnee ist zu tief für dich.«
Während der Kutscher den Karren anschob, steckte Silje die Kufen unter die Räder. Sie passten perfekt. Das hatte er offensichtlich schon öfter gemacht.
Während sie beschäftigt waren, begann Sol zu rufen: »Pferd, Pferd!«
Sie schauten erschrocken auf.
Weiter hinter ihnen näherten sich zwei Reiter.
Der Kutscher entspannte sich. »Keine Gefahr. «
Silje war so froh, dass ihr das Herz klopfte. Der eine Reiter war Tengel, und erst jetzt wagte sie, sich einzugestehen, wie viel Angst sie davor gehabt hatte, dass er nicht wiederkommen würde. Zugleich ärgerte es sie, dass er eine derart gewaltige Anziehungskraft auf sie ausübte, denn er zeigte nur selten Anzeichen von Zuneigung für sie. Jedenfalls nicht offen und direkt, dachte sie, um sich selbst zu trösten.
Bei sich hatte er jemanden, der Heming sein musste. Doch, als sie näher kamen, erkannte sie den schönen Jüngling.
Dann waren sie da. Sol sprang vor Freude im Wagen auf und ab, und Tengel musste sie als Erstes umarmen.
»Rück mal, Silje, wir übernehmen hier. Ihr seid ja beinah bereit zur Weiterfahrt, wie ich sehe.«
»Die Jungfer hat gute Eigenschaften«, sagte der Kutscher.
»Das weiß ich«, murmelte Tengel.
»Habt ihr etwas von den Landsknechten gesehen?«
»Ja, sie stürmten unten auf der Landstraße vorüber, ritten weiter nach Süden. Wir haben also noch Vorsprung. Aber der Tag geht bald zu Ende. «
Erst da entdeckte Silje, dass die Farbe des Himmels langsam die Dämmerung ankündigte.
»Schnee wird es auch noch geben«, sagte Heming, während er den Wagen anhob. Silje wollte ihn nicht ansehen. Immer noch kochte sie vor Wut.
Tengel wandte sich zu Silje um. »Hör mal her, Silje«, sagte er streng. »Ich weiß, dass du Grund hast, auf Heming wütend zu sein. Aber wir werden für lange Zeit in einer kleinen Gemeinschaft zusammenleben. Da ist kein Platz für noch mehr Unstimmigkeiten, als es ohnehin schon gibt. Du kannst dich auf jeden Fall klüger anstellen als die Narren, die dort einen Groll aufeinander haben. «
Sie gab keine Antwort. Zum ersten Mal hatte Tengel sie angeschaut, seitdem er angekommen war, und da musste er sie natürlich zurechtweisen!
»Verstehst du?«, fügte er drohend hinzu.
»Ja, ich habe verstanden. Ich werde meinen Zorn im Zaum halten. Aber verlang nicht von mir, dass ich ihn in mein Herz schließe!«
»Nein,
das
würde ich nie von dir verlangen.«
Heming kam zu ihr nach vorn. Er versuchte, reumütig dreinzuschauen, doch es war ganz offensichtlich, dass es ihm kein bisschen ernst war. Er unternahm keinen Versuch, das schalkhafte Glimmen in seinen Augen zu verbergen.
»Silje, ich bitte dich um Verzeihung. Wir Rebellen brauchten so schrecklich dringend Geld, verstehst du.«
»Versuch nicht, die Sache zu beschönigen«, murmelte Tengel.
»Natürlich hätte ich dir stattdessen lieber die Tugend rauben sollen«, neckte Heming sie weiter. »Für dich war es bestimmt eine Enttäuschung, dass ich... «
Tengel hatte ihn am Kragen gepackt und schaute ihn aus schmalen Augen an. »Willst du die Sache noch schlimmer machen?«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Nein, aber nein«, antwortete Heming unschuldig. Ganz offensichtlich bekam er nun doch etwas Angst.
Er streckte ihr zur Versöhnung die Hand hin, und nach einem Augenblick des Zögerns nahm Silje sie an. Sein Charme war unwiderstehlich, und er lockte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. Sie hatte ihm vergeben, so wie man einem dummen Jungen vergibt, der sein Spielzeug zerbrochen hat.
»Wieder in den Wagen«, befahl Tengel und achtete darauf, dass alle gut eingepackt waren. Seine behutsamen Hände und die zärtlichen Blicke gaben Silje eine unbeschreibliche Geborgenheit.
»Silje, du hältst nach hinten Ausschau«, sagte er, als er auf sein Pferd stieg.
Dann waren sie wieder unterwegs, nun mit Reitern vor sich.
Der Wind biss in ihre Wangen, aber die Kinder waren geschützt. Dag hatte erneut zu schreien begonnen, sodass Silje keinen anderen Ausweg sah, als sein Schmusetuch hervorzukramen. Diesmal allerdings reichte das nicht aus, um ihn
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