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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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boshaft, als sie den Kranken verließen.
    Auf den beiden Höfen am Rande der Gemeinde stand es weitaus schlechter. Die drei waren zutiefst erschrocken. »Wie lange geht das schon so?« fragte Tengel.
    Der Bauer auf dem zweiten Hof blickte sie an, als seien sie rettende Engel. Er lag zu Bett, wie alle anderen, und überall sahen sie eingetrocknete Gesichter und glühende Augen. Und dann dieser Gestank … !
    »Wir wußten nicht«, stammelte der Bauer. »Wir wußten nicht, was es ist. Zuerst wurde der Knecht krank, und dann einer nach dem anderen.«
    Tengel wandte sich zu seinen beiden Begleitern um. »Geht nach Hause«, sagte er still. »Das hier ist zu schlimm.« Die beiden jungen Leute schüttelten die Köpfe und blieben stehen, als wären sie angewachsen. Yrjas Herz klopfte heftig vor Angst, aber sie würde Herrn Tengel niemals im Stich lassen. Tarjei dachte vor allem wissenschaftlich. Hier konnte er etwas lernen und seine Theorien erproben.
    Tengel seufzte schwer. Er fühlte sich auf einmal sehr alt und hilflos. »Wo ist der Knecht?«
    Der Bauer deutete in eine Ecke. Sie entdeckten den älteren Mann in dem halbdunklen Raum. Einen so klapperdürren Menschen hatten sie noch nie vorher gesehen. Er wimmerte leise mit offenem Mund und konnte kaum den Kopf drehen. »Hör mir zu«, sagte Tengel. »Wo könntest du dich angesteckt haben?« Der Alte gab nur hilflose Laute von sich.
    »Bist du in der letzten Zeit irgendwelchen Fremden begegnet?« Er bekam keine klare Antwort.
    »Warst du auf den Nachbarhöfen?« Mühsam verneinte der Mann. Von einem Lumpenhaufen, der als Kinderbett diente, erklang die Stimme eines jungen Mädchens mit fieberfeuchten, wirren Haaren:
    »Er war vorige Woche zu Besuch in Tonsberg.« »Ist dort die Pest?« »Ich weiß nicht. Viele waren krank, erzählte er uns, als er heimkam.«
    »Na, dann wissen wir ja, woher die Krankheit kommt. Aber das ist eure Sache. Yrja! Lauf zum Helle-Hof, er liegt am Weg zur Nachbargemeinde. Geh nicht hinein, sondern rufe die Leute heraus und sage, daß sie zwei kräftige Männer entsenden sollen, gerne mit Gewehren, die den Weg Tag und Nacht bewachen. Niemand darf die Siedlung verlassen oder betreten. Bitte sie außerdem, jemanden nach Skogtorp zu schicken, der Bescheid sagt, daß man dort die gleichen Maßnahmen ergreift. Sage ihnen, daß Tengel das angeordnet hat, und daß er die Gemeinde von der Pest befreien will. Hast du verstanden?«
    Er sprach seinen Namen mit der ganzen Würde aus, die er in diesem Moment verspürte.
    Yrja nickte und lief gleich los. Es war nicht weit. Am liebsten hätte Tengel seinen Enkel losgeschickt, fort aus dieser pestverseuchten Umgebung, aber Tarjei besaß nicht genügend Autorität, um ernstgenommen zu werden. Als er sein geliebtes Enkelkind zwischen all den abstoßenden Dingen auf dem Fußboden herumgehen sah, schnürte es ihm die Brust zusammen. Der Junge war für etwas Großes auserwählt. Die alte Großmutter des Hofes bekreuzigte sich im Familienbett. »Der Heide soll bloß nicht in meine Nähe kommen! Die Gebete des Pastors sind das einzige, was hier hilft. Er allein kann uns von dieser Geißel des Satans befreien. Warum kommt der Pastor nicht?«
    »Tja, berechtigte Frage«, murmelte Tengel. Laut sagte er:
    »Wenn Ihr hier liegen und auf ihn warten wollt, Mütterchen, meinetwegen gerne. Ich werde mich inzwischen um die anderen kümmern.«
    »Ich habe es gesehen«, sagte die Alte. »Ich habe das Zeichen im Himmel gesehen. Eine Wolke, geformt wie ein Kreuz. Das war ein Omen.«
    »Ach was«, sagte die Bäuerin, die im selben Bett lag. »Das war das Weibsstück vom Teichhof. Sie hat einen Haß auf uns, weil unsere Kühe mehr Milch geben als ihre. Die ist schuld, das sage ich euch!«
    »Geschwätz!« sagte Tengel barsch. »Die Krankheit ist aus Tonsberg gekommen, und sie hat die ganze Umgebung befallen. Setzt mir nur keine üblen Gerüchte über Unschuldige in die Welt!«
    Er war in dieser Beziehung ziemlich empfindlich, der gute Tengel.
    Yrja kam atemlos zurück und berichtete, daß sie den Auftrag ausgeführt hatte. Man hatte ihr versprochen, alles zu tun, was Tengel verlangte. »Gut. Danke, Yrja!«
    Zwei Kinder hatten die ganze Zeit herzzerreißend geschrien, das eine mit klarer, kräftiger Stimme, das andere dagegen wimmerte nur klagend. Yrja blickte auf das ganze Elend um sich herum, und plötzlich wurde sie von einem heftigen Gefühl gepackt, beinahe so etwas wie Reue. Oder zumindest dem Wunsch, Tarald noch einmal in ihrem Leben

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