Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
fortfuhr:
»So, hehe, deshalb also mochte der Dokter nicht, daß der olle Jesper das kleine Frauchen auf ihrem Zimmer besucht hat. Er wollte sie selber für sich, das versteh ich. Ich will ja keinem in die Quere kommen, nee, so einer bin ich nicht. Viel Glück, sag ich bloß, das ist meine ehrliche Meinung!«
»Danke, Jesper«, murmelte Mattias. Sie hatten sich beide wieder aufgesetzt. »Aber wir waren eigentlich gerade auf dem Heimweg, vielleicht gehen wir alle drei zusammen?« »Ach so, es ist schon passiert?« platzte Klaus' Sohn los. »Mir scheint, das Frauchen sieht noch ganz willig aus, Dokter, seid Ihr ganz sicher, daß sie schon genug hat? Das kann man nämlich daran merken, daß… « »Alles bestens«, sagte Hilde schnell und stand auf. »Kommt, es ist fast Abend.«
»Na, Jesper«, sagte Mattias, als sie ein wenig verwirrt begannen, den Pfad hinunter zu gehen. »Wie ist es mit der Brautwerbung gegangen?«
»Gut, Dokter, gut! Hab sofort ein Ja gekriegt. Aber… ich hab ja auch was zu bieten, nicht? Den Hof und alles. Nächstes Frühjahr heiraten wir.«
»Herzlichen Glückwunsch, Jesper! Schön zu hören.« »Da ist nur ein Haken, klar, der ist ja immer dabei. Ich muß in Zukunft die Finger von den Mädels lassen, sonst wird nix draus, hat sie gesagt. Na ja, man kann im Leben nicht alles haben, was? Ich hatte da mal ein Mädel unten in Holzstein… « »In Holzstein?« »Ja, da unten in Deutschland, wißt ihr.« »Ach, du meinst Holstein!«
»Sag ich doch. Na ja, ein Mädel war sie grad nicht mehr, die war schon gut eingeritten, die Stute, aber Junge, Junge!, was die mir alles beigebracht hat! Ich war ja damals noch ziemlich grün hinter den Ohren.« Er lachte bei dem Gedanken daran und wollte gerade anfangen, die Details auszubreiten.
Mattias sagte schnell: »Wir wollen sehen, ob wir nicht eine richtig schöne Hochzeit für dich ausrichten können, Jesper!« »Danke vielen Dank! Und wann ist eure?«
»Das… das haben wir noch nicht entschieden«, sagte Mattias und drückte heimlich Hildes Hand. »Aber es wird wohl bald sein, denken wir.«
»Das ist gut. Mit sowas sollte man nicht zu lange warten.« Und das sagte der Siebenundvierzigjährige, der mit sanfter Gewalt auf Brautschau gejagt worden war. »War 'ne üble Geschichte, das mit dem Werwolf, sagte er nachdenklich. »Wer hätte gedacht, daß der Vogt ein Werwolf war! Das ist das schlimmste, was ich je gehört habe.«
»Er war kein richtiger Werwolf, Jesper«, erklärte Mattias. »Es gibt keine echten Werwölfe. Er hatte sich nur als einer verkleidet.«
»Wozu sollte das denn gut sein?« nörgelte Jesper, weil man von ihm erwartete, daß er sein Gehirn mehr anstrengte, als es vertrug.
»Tja, das ist die Frage«, sagte Mattias, der es nicht der Mühe wert fand, den Fall darzulegen. »Aber jetzt sind wir zu Hause.
Und du kannst jetzt getrost wieder auf deinen Häuslerhof ziehen, Jesper, nun ist alle Gefahr vorbei.«
Der brave Stallknecht seufzte leicht. »Das ist gut. Natürlich ist es schön hier auf Grästensholm, aber es geht nichts darüber, sein eigener Herr zu sein! Obwohl… es wird sich wohl manches ändern, wenn erst eine Frau im Haus ist.«
Er grübelte über die Sache nach. Sie konnten an seinem Gesicht erkennen, daß er trotz allem den Gedanken überwiegend angenehm fand.
Hilde schwieg. Sie konnte die Erinnerung nicht loswerden, wie sie von dem schönen Fleckchen oben am Heuschober aufgebrochen waren. Irgend etwas hatte ihr leicht wie ein Windhauch über das Gesicht gestrichen. Eine Spinnwebe, oder… ?
Und wenn Mattias einer der unglückseligen Verdammten des Eisvolks gewesen wäre, hätte er wohl darüber nachgedacht, ob sie dort oben allein gewesen waren oder nicht. Vielleicht hätte er auch den Schatten eines vierzehnjährigen Mädchens erahnt, das mit einem schelmischen und neugierigen Lächeln auf der Bergwiese kauerte.
Es war schon eine Ironie des Schicksals, daß es der Sohn ihres Geliebten war, der den zarten Augenblick zerstörte, in dem sie einen kleinen Blick in die Welt der Lebenden geworfen hatte.
Vielleicht hatte sie gedacht, daß die Welt sich nicht sehr verändert hatte? Daß der Mann immer noch als Jäger, als Angreifer galt, während die Frauen ihre Gefühle nicht offen zeigen durften. Weil die Männer sich romantische, anmutige und schwer zu bekommende Frauen wünschten?
Die Männer des Bezirkskommandeurs kamen und nahmen den Vogt mit, nachdem sie die allermeisten der Leute verhört hatten, die mit der
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