Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame
seinen Arm. »Nein, du sollst doch heiraten, hast du das vergessen?« Nein, das hatte er nicht. Seine Frage galt nur dem Versuch, der ganzen Angelegenheit zu entkommen. Sie fuhr fort: »Nein, ich werde besser mit Graf Arvid Wittenberg sprechen. Er ist zwar ein harter Mann, aber er ist Karl Gustavs Vertrauter. Und er kommt hierher.« Dabei blieb es. Am nächsten Tag hatte Marca Christiana ein ernstes Gespräch mit dem rauhbeinigen Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges. Sofort wurde ein Eilbote zu Herzog Karl Gustav geschickt, dem es somit möglich war, sich auf die gegen ihn geplante Verschwörung vorzubereiten.
Zwei Tage später kam Karl Gustav selbst nach Stockholm. Als erstes besuchte er Gräfin Marca Christiana Oxenstierna, geborene von Löwenstein und Scharffeneck, um ihr und ihrem jungen Verwandten seinen Dank auszusprechen. Ob er etwas für sie tun könne?
In Marca Christianas Augen trat ein zielbewußtes Leuchten. Ja, danke, da wäre etwas - wenn er so freundlich wäre…
So ging denn ein Brief an Anettes Vormund in Südfrankreich mit folgender Botschaft auf den Weg: Euer Mündel heiratet am heutigen Tage unseren geliebten Verwandten Mikael Lind vom Eisvolk. Schwedens Thronfolger, Herzog Karl Gustav von der Pfalz, hat dieser Heirat persönlich seinen Segen erteilt.
Damit waren dem Vormund die Hände gebunden. Dem Erben von Schwedens Thron und Krone widersetzte man sich nicht.
2. Kapitel
Die Hochzeit zwischen Anette und Mikael wurde eine kümmerliche Angelegenheit.
Nicht der äußere Rahmen, der war recht schön. Auch wenn die eigentlichen Zeremonien so einfach wie möglich durchgeführt worden waren, da Mikael ja am nächsten Tag zum Militär einrücken sollte, hatte man Würde und Stil nicht unbeachtet gelassen. Da Anette so absolut nicht in der Schloßkirche, »diesem gottlosen Ort«, getraut werden wollte, hatte man einen katholischen Pater ins Schloß kommen lassen. Mikael war es gleichgültig wer sie traute, denn er hatte wie die meisten Mitglieder des Eisvolks ein recht kühles Verhältnis zum Christentum. Wollte Anette, daß er Katholik war, so war er es eben. Kein Grund, Theater zu machen.
Die Kapelle war mit den Blumen der Jahreszeit herrlich geschmückt. Viele Mitglieder des Hofes waren anwesend und das folgende Festmahl war vorzüglich.
Nein, es war die Unsicherheit, das Gefühl, etwas verloren zu haben, das den beiden Hauptpersonen ein so beklemmendes Gefühl gab. Es war durchaus Sitte, daß Kinder sich bei der Wahl ihres Lebenspartner nach den Wünschen der Eltern richteten. Sie hatten ja auch gar nicht protestiert, nur… es war alles so schnell gegangen, ohne daß sie ihr Gegenüber und dessen Gefühle überhaupt kannten. Mikael, der wie betäubt umherlief, versuchte sich selbst einzureden, daß er an dieser Sache gar nicht beteiligt war, sondern ein anderer vor dem Altar stand und das Ehegelöbnis ablegte.
Im Grunde genommen war er doch nur ein zu Tode erschrockener Jüngling von siebzehn Jahren, aber daran dachte wohl niemand mehr.
Anette war natürlich tief unglücklich - und dafür gab es eine Menge verwirrender Gründe. Sie versuchte, selbst die Überlegene zu sein, und ertrug es gar nicht, daß er so mürrisch und abwesend wirkte. Aber vielleicht bedeutete das ja ein Plus für sie? Warum war sie dann nur so wütend? Wenn sie nur wüßte, was sie eigentlich für ihn empfand. Er war ein schöner junger Mann, aber seine Persönlichkeit, wie sah die aus? Freundlich, wohlerzogen - mehr wußte sie von ihm nicht.
Aber er war eben ein Mann! Ein Schwein, wie sie wohl wußte!
Wenn sie nur feststellen könnte, was er von ihr hielt! Schon lange mein Wunsch gewesen, hatte er gesagt. Darüber war Anette sich gar nicht so sicher. Nahm er sie nur, um seinen wilden Gelüsten frönen zu können? Oder wegen ihrer hohen Herkunft und ihres Vermögens? Oder hatte er das nur gesagt, weil ihm nicht anderes übrig geblieben war?
Welche Gründe es auch immer gewesen sein mögen, sie konnte dieses Gefühl von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit nicht abschütteln. War sie… enttäuscht? Sie fragte sich, ob andere junge Brautpaare bei arrangierten Ehen genauso fühlten. Was dachten die am wichtigsten Tag ihres Lebens? Waren sie voller Erwartungen und bereit, den Ehepartner so glücklich wie nur möglich zu machen? Oder dachten sie an die zu erwartenden materiellen Vorteile? Oder dachten sie an… die Hochzeitsnacht? Mit einem Unbekannten?
Anette kannte ihre Verpflichtungen und war bereit, das Opfer
Weitere Kostenlose Bücher