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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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? Ich kann es einfach nicht sagen. Eigentlich habe ich nie so richtig gewußt, was ich mit meinem Leben anfangen soll, verstehst du? Ich lebe in so einer Art von Nebelwelt, lasse andere für mich entscheiden und richte mich danach. In meinem Leben läuft irgend etwas völlig falsch, ich weiß nur nicht was. Mir geht es gut - zu gut, denke ich manchmal. Etwas in meinem Inneren zwingt mich zu kämpfen, Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, etwas für die Leidenden dieser Welt zu tun. Aber alle tun etwas für mich. Jetzt will mein Pflegevater uns ein großes Haus geben, ohne daß ich etwas dafür getan habe, ein gutes Haus, in dem alles ohne mein Zutun funktioniert. Dann will er mich in den Kriegsdienst schicken und meine Laufbahn ebnen, damit ich schnell einen höheren Dienstgrad erreiche. Obwohl ich das überhaupt nicht will! Aber denkst du, ich sage etwas dazu? O nein! Rücksicht, Anette, Rücksicht. Mein ganzes Leben hat daraus bestanden, Rücksicht zu nehmen. Niemanden zu verletzen. Ich hab' ein paar Jahre studiert und in der Zeit keine Probleme gehabt. Auch da war sein Einfluß zu merken. Sie wollen das Beste für mich, und ich nehme alles entgegen. Denn ich bin ihnen ewige Dankbarkeit schuldig.«
    Mutter! Hilf mir, ich begreife gar nichts, ich bin völlig durcheinander. Er spricht so freundlich zu mir - als sei ich seinesgleichen! Was will er? Wann kommt all' das Schreckliche, das Groteske?
    »Und jetzt hast du geheiratet - nur weil sie dich darum gebeten haben.« Es war lediglich eine Feststellung. »Ja. Ich habe eine Adlige geheiratet, die im Rang hoch über mir steht. Und du bist dir hoffentlich darüber im klaren, Anette, daß ich kein reicher Mann bin. Ich habe zwar etwas von meiner Mutter geerbt, und mein Vater hat mir auch ein wenig hinterlassen, so daß ich zurechtkomme, aber mehr auch nicht. Aber was auch immer du von mir denken magst, so sollst du wissen, daß ich dich nicht deines Geldes wegen geheiratet habe.«
    Im Grunde war sie eine spontane Seele, die kleine Anette, schließlich war sie Französin - und für einen Augenblick vergaß sie die klamme Hand der Mutter. »Das habe ich auch nicht geglaubt«, stieß sie impulsiv hervor. »Ich glaube, du bist ein guter, gottesfürchtiger Mann, der seinen Wohltätern gehorchen will und mich vor einem unangenehmen Schicksal bewahrt.«
    Sie hatte sich erhoben und stand jetzt vor dem in Blei gefaßten Fenster neben ihm. Mikael drehte sich zu ihr um.
    »Ja, das ist wohl so. Ist das nicht entsetzlich demütigend für dich?«
    »In gewisser Weise. Aber nicht mehr als für dich. Ich habe skrupellos nach einem Strohhalm gegriffen.« Sie schwieg, erschreckt über ihre eigene Offenheit. Zum ersten Mal an diesem Tag zeigte sie ein aufrichtiges Lächeln. Er nahm ihr Gesicht in die Hände und ließ sich nicht anmerken, daß er ihr Zittern bemerkt hatte. »Dann fühlen wir ja dasselbe. Darüber bin ich sehr froh. Schlimmer wäre es, wenn einer von uns unglücklich in den anderen verliebt wäre. Das wäre demütigend!« Sie lächelte in vorsichtiger Angst, und ihr kleines bleiches Gesicht wurde so weich, wie er es nie erwartet hatte. »Die heilige Madonna wird uns schon helfen.« Mikael warf der himmlischen Jungfrau, die stumm an der Wand hing, einen Blick zu und fragte sich, ob sie auch später in der Nacht anwesend sein würde. Am liebsten hätte er sie hinaus gebracht.
    Sie wandten sich wieder dem Fenster und neutralen Themen zu. Stumm sahen sie hinaus nach Brunkeberg, wo der alte Hinrichtungsplatz lag. Dort in Brunkeberg hatte Sten Sture vor mehr als hundert Jahren gegen den Dänenkönig Christian I. eine entscheidende Schlacht gewonnen. Jetzt war der Hügel teilweise abgetragen worden.
    Stein und Kies waren zur Verbesserung der Straßen in die Stadt gebracht worden. Unterhalb des Hügels hatte man eine Reihe von Häusern gebaut. In der Stadt zwischen den Brücken, wo auch das Schloß lag, war für die wachsende Bevölkerung bald kein Platz mehr. Die wenigen Bauernhöfe auf Norrmalm bekamen so langsam schon Nachbarn.
    Mehr als fünf Minuten standen sie nebeneinander und sahen hinaus.
    »Ich bin froh, daß wir endlich miteinander gesprochen haben«, sagte Mikael leise. »Du siehst jetzt wohl ein, daß ich nicht zu denjenigen gehöre, die sich ihre sogenannten Rechte rücksichtslos erzwingen.«
    Sie nickte leicht erschreckt und zuckte zusammen. Dieses Ekelhafte meinte er - was auch immer das sein mochte. Jede Verzögerung wurde von ihr dankbar begrüßt. Aber sie war

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