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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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hierbleiben«, sagte sie tonlos. »Wenn Ihr wollt.«
    Darauf erhielt sie keine Antwort. »Dann setzen wir das Gespräch eben fort. Warum hast du dieser… Vereinbarung eigentlich zugestimmt?«
    Sie sah auf, ganz verschreckt durch seine heftige Stimme. »Das liegt doch auf der Hand. Hatte ich denn eine andere Wahl?« »Danke«, sagte Mikael bitter. »O nein, ich wollte nicht…«
    »Ich versteh' schon, du brauchst es mir nicht zu erklären. Mir ging es ja genauso.« Bei seinen Worten wurden ihre Augen so groß wie schwarze Brunnen. Noch nie zuvor hatte er einen so unglaublich verletzten Menschen gesehen.
    Er war gerührt. Mikael beugte sich vor und ergriff ihre Hände. Als er das Taschentuch bemerkte, warf er es mit einem stummen Fluch auf den Boden. Sie wollte ihm ihre Hände wieder entziehen, aber er hielt sie fest. »Anette«, begann er und versuchte, einen freundlichen Ton anzuschlagen, wozu sein steifes Lächeln aber gar nicht paßte. »Anette, wenn wir das hier schaffen wollen, müssen wir ehrlich und aufrichtig zueinander sein.« »Aber Ihr sagtet…« flüsterte sie.
    »Ich weiß, was ich gesagt habe. Daß es schon lange mein Wunsch gewesen sei.« »Es war also nicht die Wahrheit?«
    Ich wußte kaum, wer du warst, wollte er schon sagen. Aber als er merkte, wie sehr sie sich vor den nächsten Worten fürchtete, wurde ihm ganz weich ums Herz. Wie konnte er ihr da die Wahrheit ins Gesicht sagen? »Doch, in gewisser Weise schon«, log er, und ihre Erleichterung war offensichtlich. Ihn durchströmte ein warmes Gefühl. »Ich habe wohl davon geträumt, irgendwann mal ein Mädchen zu finden, mit dem ich mein Leben später teilen könnte. Und dich hatte ich schon gesehen - so im Vorbeigehen - und gedacht: Die Kleine da… wäre nicht unmöglich. Wie sie wohl ist? Unter ihrem manchmal gottesfürchtigen und manchmal koketten Äußeren. Ihr Hofdamen wirkt ja ab und an ziemlich oberflächlich, wenn ihr zusammen seid. Mehr habe ich für dich nicht empfunden.«
    Sie beugte ihren Kopf, so daß der Schleier von den Schläfen aus herunterfiel.
    »Und Du?« fragte Michael. »Was dachtest du von mir?« »Ich… «
    »Sei ehrlich! Heuchelei hilft uns nicht weiter.« Und das sagte er. Er schämte sich über sich selber.
    Aufrichtig? dachte sie. Eine Bestie in Menschengestalt! Mit gierigen Händen, die nach meinem armen Körper greifen. Wollüstig, liederlich!
    Leise erwiderte sie: »Ihr wart für mich ein eleganter Jüngling.« War das nicht doch zu schamlos und wirkte wie eine Einladung?
    »Aber du hattest keine…besonderen Gefühle für mich?« Er wirkte ganz erstaunt.
    Besondere Gefühle? Was meinte er damit? Unsittliche? Nein, das glaubte sie nicht, denn seine Augen blickten ganz ehrlich. Schöne Augen, viel zu schöne. »Nein«, flüsterte sie zu Tode beschämt.
    »Nun, dann wissen wir wenigstens, woran wir sind. Bist du in einen anderen verliebt?« »Nein, o nein!«
    »Ich auch nicht. Dann wollen wir versuchen, das beste aus der Sache zu machen, Anette. Wir sind nicht die ersten auf der Welt, die von Außenstehenden verkuppelt werden.«
    Das Wort »verkuppeln« ließ sie zusammenzucken, aber sie riß sich zusammen. »Ich hab' mich schon gefragt, was die dabei gedacht und gefühlt haben«, sagte sie leicht lispelnd in einem naiven Tonfall.
    »Endlich hast du mal einen eigenen Gedanken, eine eigene Persönlichkeit. Sonst bist du wie eine blankgescheuerte Tafel für mich, Anette. Und sag bitte du zu mir!« Sie nickte und versuchte, seine abscheulich breiten Schultern und seinen ungehörig anziehenden Mund zu übersehen. »Bereust du es?« fragte er.
    Anette erschauerte. Nach einem ängstlichen Zögern gestand sie: »Bereuen? Es ist doch nicht unsere Schuld. Aber mein Herz bebt. Denn ich kenne Euch ja gar nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, was sonst geschehen wäre…« Sie nahm sich zusammen. »Ihr sollt es nicht bereuen. Ich weiß, was von mir verlangt wird…heute nacht, und ich bin einverstanden. Wir werden alles in die Hände der Mutter Gottes legen. Bereut Ihr es? Ich meine, bereust du es?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Mikael. Er ließ ihre Hände los, erhob sich und trat ans Fenster. Draußen in der dunklen Nacht waren auf Brunkebergsäsen ein paar Lichter zu sehen, und auf dem Fluß schimmerten zwei Öllampen von den Booten. »Ich weiß es nicht, Anette. Du hast recht, es ist nicht unsere Schuld, alles wurde über unseren Kopf hinweg beschlossen. Aber wir haben uns nicht gewehrt, nicht wahr? Ob ich es bereue…

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