Die Salzbaronin
nicht! Und der soll jetzt die Leitung der Saline übernehmen?« Es versetzte ihr einen kleinen Stich, dass sie wieder einmal als letzte von dieser Veränderung erfahren hatte.
Ellen nickte.
Rosa konnte ihr ansehen, dass sie krampfhaft nach etwas suchte, mit dem sie ihre Neuigkeit ausschmücken konnte. »Und die Salzbaronin? Was wird aus der?« tat Rosa ihr den Gefallen, nachzufragen.
»Dorothea? Was soll schon aus ihr werden?« gab Ellen zurück. »Die wird ihrem Bruder helfen, nehme ich an. Der Junge weiß doch allein nicht eine Krucke von einer Mistgabel zu unterscheiden.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ob er das auf seinen feinen Schulen gelernt hat? Andererseits weißt du ja, wie man sagt: Neue Besen kehren gut.«
»Und ihr seid den alten Grafen los, das ist doch auch etwas«, fügte Rosa mit unbeteiligter Stimme hinzu. Was kümmerte es sie, an wen sie ihre Pacht zahlte? Und mehr hatte sie mit denen aus dem Herrenhaus nicht zu tun, Gott sei Dank. Ihr fiel etwas ein, was sie am Tag zuvor gehört hatte. »Stimmt es, dass Frederick von Graauw gerade da in der Nachtschicht aufgetaucht ist, als Elfriede …«
»Der Graf!« fiel Ellen ihr ins Wort. Ihre Lippen kräuselten sich. »So unrecht ist der gar nicht, wenn du meine Meinung hören willst.« Sie sagte das in einem Ton, als stünde sie mit ihrer Meinung allein da. »Kommt alle Schaltjahre mal vorbei. Elfriede, das faule Luder, hätte halt besser aufpassen müssen, statt sich von ihm erwischen zu lassen!« Schräg blickte Ellen Rosa an.
Die Heilerin begutachtete ihr rechtes Handgelenk, das deutlich angeschwollen war. Einen Teufel würde sie tun und sich in die Streitereien zwischen den Arbeiterinnen einmischen! Am Ende tratschten die Weiber nämlich untereinander darüber, und sie war wieder einmal die Dumme! Auch ihr hatte Elfriede die Ohren über ihren gekürzten Lohn vollgejammert. Zugegeben, die Arbeit der Nachtdirnen, deren Aufgabe es war, die mit Salz gefüllten Fudern in die Trockenhäuser zu bringen, war schwer. Andererseits wurden sie nicht dafür bezahlt, sich auf dem Weg zwischen dem Sud-und dem Trockenhaus auf ein Stündchen hinzulegen. Kein Wunder, dass der Alte getobt hatte, als er Elfriede dabei erwischte!
»Ach, im Grunde genommen ist es mir auch egal, ob der alte oder der junge Graf das Sagen in der Saline hat!« bemerkte Ellen endlich. »Was kümmert’s uns? Eine Krucke Salz bleibt schwer wie eine Krucke Salz, egal, für wen wir sie durch die Gegend tragen!«
Rosa wickelte einen in gelber Flüssigkeit getränkten Leinenlappen um Ellens Handgelenk. »Die Arnikatinktur wird dir gut tun. Einige Tage ohne Arbeit würden dir allerdings auch gut tun«, fügte sie hinzu, obwohl sie wusste, dass sie sich die Bemerkung hätte sparen können.
Ellen lachte bitter auf. »Das erzähl mal meinem Hermann! Zur Arbeit prügeln tät’ der mich, wenn ich nicht von selber ginge!« Das Lachen verschwand. »Und recht hat er - ‘s Geld reicht so kaum aus, um die Blagen durchzukriegen.« Ruckartig stand sie auf. »Was bin ich dir schuldig?« Sie wies mit ihrem Kinn auf ihren verbundenen Arm.
Rosa seufzte. »Gib mir einen Kreuzer.«
Kurz darauf war Ellen verschwunden. Vom Herrenhaus wehten nun lautere Musiktöne herüber, und Rosa fragte sich, wie es den Musikern überhaupt gelang, ihren Instrumenten in der Gluthitze auch nur einen Ton abzutrotzen. Achtlos legte sie ein armdickes Bündel Holunderzweige zur Seite und rührte den Inhalt des Kupferkessels durch. Manchmal hatte sie das Gefühl, als lebte sie auf der einen Seite eines breiten Flusses, während das Dorf der Salinenarbeiter auf der anderen Seite lag. Rehbach - eigentlich war es nicht einmal ein Dorf, sondern mehr eine Siedlung, deren Bewohner alle bei den Graauws in Arbeit standen. Und mochten die Salinenarbeiter unter sich zerstritten sein wie junge Hunde; nach außen hin waren sie doch eine verschworene Gemeinschaft - zu der sie noch nie gehört hatte! Das war schon immer so gewesen, auch als ihre Mutter selig noch gelebt hatte. Nicht, dass sie sich über zuwenig Arbeit beklagen konnte! Die Leute kamen in Scharen, und das, obwohl sie für ihre Tees und Tinkturen bei Rosa bezahlen mussten. Dabei gab es sogar einen Salinenarzt - Friedrich Neuborn -, der sie umsonst behandeln musste. Er wurde von den Graauws bezahlt. Ständig beschwor Rosa die Rehbacher, für sich zu behalten, dass sie zu ihr kamen. Vor allem, wenn es um besondere Dienste ging, die sie jemandem erwies … Sie hatte Angst, dass es
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